ZAR Y CARPINTERO
Personajes
PEDRO MICHAELOV |
Zar de Rusia
|
Barítono |
La acción tiene lugar en Saardam, Holanda, en 1698.
ERSTER AKT
(Innere Ansicht der Schiffswerft zu Saardam Viele Zimmerleute bei der Arbeit, unter ihnen Peter Michaelow und Peter Iwanow)
Nr. 1. Introduktion und Lied
ZIMMERLEUTE Greifet an und rührt die Hände, Baut des Schiffes stolze Wände! Greifet an! Rastet nicht in der Pflicht! Tag für Tag, Schlag für Schlag! Handwerksmann hat seine Plagen, Lust zur Arbeit hilft sie tragen.
ZAR (im Vordergrund arbeitend, für sich) Dieses Wogen, dieses Streben - Wie es doch mein Herz so hoch erfreut. Der ist glücklich, der sein Leben Solcher Arbeit stets geweiht.
IWANOW (auf der andern Seite) Froher Mut, leichtes Blut Und dazu ein frohes Lied, Das aus vollem Herzen sprüht - Das ist gut.
CHOR Recht, ganz recht, was soll gelingen, Muss man mit Gesang vollbringen.
IWANOW (auf den Zaren zeigend) Hier, Gefährten, der vor allen Weiß solch Lied uns vorzutragen.
ZAR (sich erhebend) Euch zugefallen, Sei es denn! Mög`es euch behagen.
(Alle sammeln sich um den Zaren)
Lied
Auf, Gesellen, greift zur Axt und regt die nerv'gen Arme, Dass so Herz als Blut mit jedem Streiche mehr erwärme! Dröhnt der Schlag im Holz, als will die Erde erbeben, jauchzt des Zimmermannes Brust vor wonnigem Leben. Wackrer Zimmermann, hast a Freude dran - Wohlauf! Denke, was du kunstvoll bauest, trotzt jeder Wut in grausen Wettern; Was dein Beil erfasst, das muss ein kräftiger Hieb auch zerschmettern.
CHOR (die Äxte schwingend) Zimmermann zu sein, ist eine Lust, Stete Arbeit kräftigt seine Brust: Stattlich Werkzeug und des Liebchens Kuss, Freunde, das ist Hochgenuss!
ZAR Auf, Gesellen, der Gigantenbau kann nur gelingen, Wenn sich alle Kräfte einigen, ihn zu vollbringen. Seht dann euer stolzes Werk die Meere durchjagen, Durch des Nordens Eis und Südens Glut keck sich wagen. Wackrer Zimmermann, hast ja Freude dran - Hallo! Ha! Wie Donnersturm den riesgen Bau wild umkracht, ihn zu zersplittern, Doch er trotzet kühn der Flut Geheul und dem Strahl in Gewittern.
CHOR Zimmermann zu sein, ist eine Lust, Darum rufet laut aus voller Brust: Stattlich Werkzeug und des Liebchens Kuss, Freunde, das ist Hochgenuss! Sing diese Verse noch einmal...
ZAR Nein, nein, nicht schon wieder! Euren Wunsch hab ich gewährt, Eilet nun zur Arbeit wieder Und bedenket, dass alsbald Ein frohes Jubellied erschallt, Das zum Feste euch begehrt.
CHOR Greifet an und rührt die Hände, Baut des Schiffes stolze Wände! Greifet an! Rastet nicht in der Pflicht! Tag für Tag, Schlag für Schlag! Handwerksmann hat seine Plagen, Lust zur Arbeit hilft sie tragen.
(Nach beendigtem Chor geht alles wieder zur Arbeit, die Zimmerleute verlieren sich nach und nach)
IWANOW Das muss wahr sein: du bist ein ganzer Kerl; ein Zimmermann, wie ihn Gott verlangt, und dabei ein Liedersänger, der seinesgleichen sucht.
ZAR (lächelnd) O ich besitze noch eine Eigenschaft, die in deinen Augen mehr ist als alle die übrigen.
IWANOW Die ist?
ZAR Geduld.
IWANOW Na, da sei stille - was die betrifft -
ZAR Wie? Höre ich nicht mit wahrer Engelsgeduld die Schilderungen deiner Zärtlichkeit für die reizende Marie an, die ebenso liebenswürdig wie ihr Oheim dumm und lächerlich ist?
IWANOW Das ist wahr; aber da wir gerade davon reden, weißt du wohl ' dass mir ganz übel zumute ist?
ZAR Argwöhnt der gestrenge Bürgermeister etwas?
IWANOW Es scheint so, denn er hat sich bei der – Meisterin genau nach mir erkundigt.
ZAR Du hast doch keine Ehrensache?
IWANOW Je nun - vor dir habe ich kein Geheimnis, drum höre. Du weißt, dass ich ein Russe bin. Als ich achtzehn Jahre alt war, machte man mir weiß, ich müsste Vaterlandsverteidiger werden. Ich dachte: je nun, kannst's ja probieren, und ließ mir den Soldatenrock anziehen. Der Rock war ganz hübsch, aber alles, was ich in dem Rock tun musste, war gar nicht hübsch; zudem war ich von jeher ein Feind jeden Zwanges. Was tat ich also? An einem schönen Morgen stellte ich mein Gewehr ins Schilderhaus, hing den Rock an den Nagel und vertauschte beides hier in Saardam mit Zimmeraxt und Winkelmaß.
ZAR Jetzt versteh ich dich.
IWANOW Mein ehemaliger Oberst kann sich am Ende erinnern, dass ich da Mals beim Verlesen gefehlt habe - in Saardam sind jetzt viele russische Offiziere.
ZAR Sehr richtig – also müssen wir auf unsrer Hut sein.
IWANOW Freilich. Übrigens kommt es mir vor, als ob du dich in einer ähnlichen Lage befändest.
ZAR Ich?
IWANOW ja, ja. Du verbirgst dich so sorgfältig, vermeidest von deiner Familie zu reden und was dich nach Saardam geführt.
ZAR Du glaubst doch nicht -
IWANOW (droht ihm Alter junge, gesteh's nur, du hast auch Suiten gemacht! Doch was geht es mich an, ich will mich nicht in dein Geheimnis drängen.
(Er sieht nach hinten)
Da kommt Marie. Ist es nicht schrecklich, dass sie mit ihrem niedlichen Gesichtchen die Nichte eines
Bürgermeisters ist?
(Die Vorigen. Marie)
MARIE (im Auftreten) Nein, es istl weiß Gott, zu arg - auf Schritt und Tritt geht einem der Mensch nach.
IWANOW Mensch? Welcher Mensch?
MARIE Ach, ein junger Franzose, der seit gestern hier herumschleicht.
ZAR Ein Franzose?
IWANOW Ein junger? Warum schleicht er herum? Warum?
MARIE Was weiß ich? Er hielt mich an und fragte mich nach allerlei.
IWANOW Das fehlte noch! Erst schleicht er herum, dann fragt er noch allerlei. Still doch!
(Zu Marie)
Nun, mein Kind, wonach erkundigte er sich?
MARIE (verschämt) Je nun -
IWANOW Heraus mit dem Allerlei.
MARIE Er meinte, ich wäre recht hübsch – und kurz und gut, ich wäre recht hübsch.
IWANOW So? Das ist recht hübsch. Um das zu erfahren, brauchen wir keinen Franzosen, das können wir auf deutsch auch sehen.
MARIE Endlich wollte er mich küssen.
IWANOW Hab ich's nicht gedacht, das ist gewöhnlich das Ende. Soll man da nicht rasend werden?!
MARIE (ihn besänftigend) Aber Peter -
IWANOW Nichts Peter! – Ich wollte, den französischen Gesandten, der da drüben in Rijswijk den Frieden kongressiert, holte der Kuckuck! Alle Augenblicke fährt hier so ein Windbeutel herum. Träfe ich nur einmal einen, ich wollte ihn gleich -
MARIE Was gleich?
IWANOW Das werd ich jetzt nicht sagen.
MARIE Mein lieber Peter Iwanow, Sie sind ein kleines Groß Mäulchen.
IWANOW Ich wäre -
MARIE Stille! - Sie sind ein kleines Grossmäulchen.
IWANOW Aber Mamsell Marie -
MARIE (ernst) Herr Peter Iwanow!
IWANOW (nach einer Pause ruhig) Ich bin ein kleines Grossmäulchen.
MARIE So recht, lieber Peter, nun bist du wieder artig. Warum ich eigentlich komme -
IWANOW (hastig) Ja warum? Das möchte ich eben wissen.
MARIE (ihm gelassen die Backen klopfend) Nur immer Gemütsruhe.
IWANOW ja doch, ich bin ruhig, mein Gemüt auch.
MARIE Mein Oheim hat unser Verständnis ausgewittert - glaube ich wenigstens -, er will heute auf den Werften selbst nachsehen, das ist ihm in drei Jahren nicht eingefallen; er hat Briefe, Befehle erhalten, und alles überzeugt mich, dass ein Anschlag gegen uns im Werk ist.
ZAR (der sich zurückgezogen, hat sich bei Mariens Erzählung aufmerksam genähert. für sich) Sollte ich entdeckt sein?
IWANOW (für sich) Gewiss von meinem Oberst 1
MARIE Nun, meine Herren, ihr seid ja beide ganz verdutzt? Und Sie, mein Vielgetreuer, Sie kommen mir ganz kurios vor. Vorhin, da ein galanter junger Mann sich nach meinen kleinen häuslichen Angelegenheiten erkundigte, wird er bei der bloßen Erzählung Feuer und Flamme, und nun, da unsrer Liebe Gefahr droht, steht er da, als könnte er nicht bis drei zählen.
IWANOW Marie, du hast es heute wieder darauf abgesehen, mich zu quälen. Ich liebe dich so herzlich, aber ebendeswegen kann es mir doch nicht angenehm sein, wenn dich die ganze Welt küssen will.
MARIE Die ganze Welt? Nein, lieber Peter, das würde ein zu großes Gedränge werden; ich will mich darum lieber mit einem begnügen
(Sie reicht ihm die Hand
IWANOW (küsst sie) Du bist doch ein Engel!
MARIE Jetzt höre. Was mein Oheim im Schilde führt – ich weiß es nicht, und wir müssen es in Geduld erwarten. Sei darum guten Muts; ich bin und bleibe dir treu, und sollte es meinem teuren Oheim einfallen, mich zu einem andern Ehebündnis zwingen zu wollen - ich ahne so etwas -, so springe ich lieber in den Kanal.
IWANOW Ich springe mit.
MARIE Abgemacht, wir springen im Duett. Vorher aber gehen wir zum Feste. Du weißt doch, dass ich Brautjungfer bei Charlottes Hochzeit bin. Ich eile, mich in den Staat zu werfen.
IWANOW Ach Gott, da wirst du wieder alles bezaubern.
MARIE Je nun, ich werde mein möglichstes tun.
(Zum Zaren)
Sehn Sie wieder den Eifersüchtigen?
(Zu Iwanow)
Ach, lieber, lieber Peter, du musst noch gewaltig gezogen werden.
Nr. 2. Ariette
Die Eifersucht ist eine Plage, Weh dem, der ihr zum Opfer fällt. Sie schaffet viele trübe Tage, Warum ist sie wohl auf der Welt? Warum? Warum?
IWANOW (spricht) Ei, das möcht ich auch wissen.
MARIE Zwar kenn ich dieses garst'ge Fieber Nur eigentlich vom Namen her; Bemerkt' ich's nicht bei dir, mein Lieber, So wüsst' ich nicht, dass es vorhanden wär.
IWANOW (spricht) Es ist aber einmal da, und ich habe alle Ursache dazu.
MARIE O ja! Wenn bei unsern Festen Alles sich im Tanze dreht Und wenn einer von den Gästen Zeigt, dass er mich nicht verschmäht; Wenn er, während wir pausieren, Mich recht viel und freundlich fragt Und mit artigen Manieren Ein'ge Schmeicheleien sagt, Zum Exempel: diese Wangen, Dieser Lippen Purpurrot Wecken glühendes Verlangen, Sie bezaubern mich, bei Gott! Wär' es mir erlaubt zu fragen, Ob ihr Herz noch frei sich fühlt? Wenn, mit einem Wort zu sagen, Er, was man so nennt, den Angenehmen spielt -
IWANOW (spricht) Dann darf ich doch -
MARIE Dann darfst du niemals eifersüchtig sein. Mein Herz gehört nur dir allein; Du weißt es ja, mein Herz gehört nur dir allein. Ach, das solltest du erst fühlen, Wie so schön die Zeit verrinnt Wenn bei unsern heitern Spielen Pfänder einzulösen sind. Wenn mit harrenden Gebärden Jeder seinen Lohn begehrt, Und es heißt: was soll dem werden, Welchem dieses Pfand gehört? " Diesem gibst du sieben Küsse, Jenem achte, diesem neun, Zehne reichst du jenem her!" Lieber Freund, das sind Genüsse, So was existiert nicht mehr. Wenn dann mit verschämten Wangen Schüchtern der Erwählte naht, Wenn mit glühendem Verlangen Er den Lohn empfangen hat -
IWANOW (spricht) Dann darf ich doch -
MARIE Dann darfst du doch nicht eifersüchtig sein. Mein Herz gehört nur dir allein; Du weißt es ja, mein Herz gehört nur dir allein!
IWANOW (spricht) Nun, das nehme mir kein Mensch übel.
MARIE Sieh, das sind nur alles Spiele Unbefangener Jugendlust; Fern von liebendem Gefühle Schlägt das Herz in unsrer Brust. Was geschieht vor allen Leuten, Kann ja Böses nicht bedeuten. Drum darfst du niemals eifersüchtig sein, Mein Herz, du weißt es ja, bleibt ewig dein. - Hast du mich auch wohl verstanden? Ist kein Fieber mehr vorhanden? Her mit dem Puls, wir werden nun gleich sehn, Ob du kuriert, als Arzt muss ich's verstehn.
(Sie ergreift seine Hand und fühlt den Puls)
Gut, sehr gut, in solchem Tempo muss er gehn. Bedanke dich!
(Sie hält ihm die andere Hand hin, die Iwanow küsst)
Wie nun das Blut so ruhig fließt, Wie lieb du mir nun wieder bist.
(Sie hält dem Zaren die Hand zum Kusse hin, während die andere noch immer Iwanow den Puls fühlt. Zum Zaren)
Doch auch Ihr seid mir
lieb und wert.
Herrgott! Was tobt dein Blut schon wieder fürchterlich, Mein lieber Freund, du bist noch nicht kuriert! Leb wohl und bessre dich!
(Sie läuft ab)
(Iwanow folgt ihr)
Dritter Auftritt
(Zar. Lefort)
LEFORT Guten Morgen, Peter Michailow! Ihr seid allein?
ZAR Wie du siehst. Hast du Nachrichten von Moskau?
LEFORT (nachdem er sich umgesehen) Ja, Sire, und ernstliche Besorgnisse.
ZAR Nun?
LEFORT Sire, ich habe meine Bewunderung dem edelmütigen Entschlusse nicht versagen können, der Sie bestimmte, Ihre Staaten zu verlassen und bei den Völkern Europas Kenntnisse zu erwerben, die einst das Glück Ihres Volkes sichern sollen; allein, es ist Zeit, unseren Reisen ein Ziel zu setzen. Seit einem Jahre arbeiten Sie als Peter Michailow auf den Werften von Saardam; seitdem hat sich vieles geändert. Ihre Untertanen fangen an, über Ihre Abwesenheit zu murren.
ZAR Immerhin! Sie ahnen nicht, dass ich unter diesem groben Kittel mehr für sie getan, als der Zar in zehn Jahren hätte tun können. Doch zur Sache! Woher diese Besorgnisse?
LEFORT Ihre Feinde in Moskau sind tätiger denn je; der kühne Geist Ihrer Schwester Sophie reizt die Bojaren und Strelitzen zum Aufruhr.
ZAR (wütend) Ha! Glaubt die zügellose Schar, die Zeiten Fedors und Iwans seien noch nicht verstrichen? Die Verräter sollen büßen! Ein Blick von mir entscheidet ihr Schicksal. Lass alles zu meiner Abreise bereiten! Fort!
(Lefortgeht ab)
(Zar allein)
Nr. 3. Rezitativ und Arie
ZAR Verraten! Von euch verraten, Denen ich Verträum und Liebe geweiht. Höllischer Undank! Verrat! Des Lasters Krone!
Nur eurem Glück war mein Leben, Nur eurer Größe geweiht, Und ihr verratet mich! Die Macht des. Zepters, den Glanz der Krone, Beneidenswert wähnt mancher sie, Doch bittrer Undank, Hass zum Lohne Ist oft die Frucht für Herrschers Müh. Und nur ein Trost lindert die Schmerzen, Ein Blick nach oben stärket die Brust: Was auch die Mitwelt nicht erkannte, Von Nebelschleier noch umhüllt, Wir sehen dann aus jenem Lande Das Volk der Nachwelt dankerfüllt. Drum sehnt sich mein Geist nach Licht und Wahrheit. Wie schütze ich das Werk, das ich durch deinen Beistand schaffte? Kann der Verräter Blut dir wohlgefällig sein, Der du der Milde und der Güte Urquell bist? Treu hing stets mein Herz an meinem ganzen Volke, Seinem Glück allein war stets mein Leben nur geweiht. Warum, o Gott, erhabene Vorsicht, Wird Völkerglück durch Strenge nur erreicht? Warum durch Liebe, Huld und Milde, Das Herz des Volkes nicht erweicht? Treu hing stets mein Herz an meinem ganzen Volke, Seinem Glück allein war mein Leben nur geweiht. So sei es denn entschieden, dem Tode weih ich sie; Man bessert ja hienieden durch Wohltun Sünder nie! Verräter Blut soll färben das blanke Henkerbeil, Damit sie sühnend sterben, dem Vaterland zum
Heil!
(Zar. Iwanow. Später Meisterin Browes Stimme)
IWANOW (steht den Zaren eine Weile an) Du scheinst mir auch übel gelaunt.
ZAR Wie das so manchmal kommt - es geht vorüber.
IWANOW Freilich wohl, aber es sollte lieber gar nicht kommen, es nützt ja zu nichts.
ZAR Wo fehlt dir-s denn schon wieder?
IWANOW Marie macht mir den Kopf warm, und zum Übermaß des Unglücks ist der Herr Bürgermeister soeben auf der Werft angekommen.
(Leise)
Du begreifst wohl weswegen.
ZAR Ei, es soll mich freuen, seine Bekanntschaft zu machen - jetzt habe ich zu tun – auf Wiedersehn beim Feste.
(Er will gehen)
IWANOW (hält ihn) Höre, Freund, das ist nicht schön von dir.
ZAR Was?
IWANOW Dass du so hinterm Berg hältst. Ich habe dir alles vertraut, was ich auf dem Herzen, hatte, aber du spielst stets den Geheimnisvollen gegen mich.
ZAR Sei ruhig, ehe ich abreise, erfährst du mein Geheimnis.
IWANOW Was? Du willst uns verlassen? Wieder was Neues!
ZAR Meine Familie verlangt nach mir.
IWANOW So, deine Familie? Ist sie gross?
ZAR Ziemlich.
IWANOW Und da sehnt sie sich wohl sehr nach dir?
ZAR Mehr oder weniger.
IWANOW Du lebst doch nicht mit ihr in Uneinigkeit?
ZAR (kräftig) Ich stifte Frieden, darauf verlass dich!
MEISTERIN BROWE (hinter der Szene) Hierher, Herr Bürgermeister.
IWANOW Da ist er!
(Die Vorigen. van Bett. Meisterin Browe)
Nr. 4. Arie
VAN BETT O sancta justitia! Ich möchte rasen, Von früh bis spät lauf ich herum; Ich bin von Amtspflicht ganz aufgeblasen, Das Wohl der Stadt bringt mich noch um. Plerique hominum auf dieser Erde, Sie ruhn doch mal von Qual und Beschwerde; Doch kaum schaut der Morgen in meine Kammer, So rufen die Akten mein Genie, Und bis zur Nacht bin ich, o Jammer, Re vera übler noch dran als ein Vieh! Kein Zugpferd in der Tat hat's so schlimm, Als ein Vorstand und Rat. Ein Glück, dass ich mein Amt verstehe, Und sapientissime alles wend und drehe, Dass mein Ingenium Akten weiß zu schmieren Und das Consilium am Gängelband zu führen. Denn ich weiß zu bombardieren Zu rationieren und zu expektorieren, Zu inspizieren, zu räsonieren, Zu echauffieren und zu malträtieren. Rem publicam hab ich stets im Sinn. Man weiß es ja, dass ich ein Codex bin. Alt und jung ruft mir zum Preise, Ich bin Saardams größtes Licht. O ich bin klug und weise, Und mich betrügt man nicht. Diese ausdrucksvollen Züge, Dieses Aug', wie ein Flambeau, Künden meines Geistes Siege, Ich bin ein zweiter Salomo. Dazu der Corpus noch in petto, Mit einem Wort, ich bin ganz netto.
(Er sperrt den Mund auf, als sänge er das im Orchester erklingende tiefe F)
Man glaub' mir's, dass ich nie mich trüge Gleich über jedes Crimen siege. Ich wühl mich in Prozesse ein Und schlichte sie sehr schlau und fein. O ich bin klug und weise, Und mich betrügt man nicht. Diese ausdrucksvollen Züge, Dieses Aug', wie ein Flambeau, Verkünden meines Geistes Siege, Ich bin ein zweiter Salomo. Denn ich weiß zu bombardieren, Zu rationieren, zu expektorieren, Zu blamieren, inspizieren, Echauffieren, räsonieren, malträtieren, Und zu ieren, zieren, rühren, Führen, schmieren, ratifizieren. Mit einem Wort, man sieht mir's an, Ich bin ad speciem ein ganzer Mann!
(Spricht zu Witwe Browe)
Ihr könnt es nicht glauben, was mir alles auf dem Halse liegt und noch vielleicht darauf liegen wird. Da lest einmal.
(Er zeigt ihr einen Brief)
Ihr werdet Euer blaues Wunder hören.
MEISTERIN BROWE Das Lesen ist von jeher meine schwache Seite gewesen, das tat mein seliger Alter für mich. Wende Sie sich hier an meinen Gesellen, den Peter Michaelow, der ist der Gelehrteste auf der Werft.
VAN BETT Da, mein Freund!
(Zur Meisterin Browe)
Nun passt einmal auf.
(Zum Zaren)
Lies laut, mein Sohn!
ZAR (liest) "Mein Herr" -
VAN BETT Schön, ich sehe, du kannst lesen, lies laut. Ich verlange ja nicht, dass du so schön lesen sollst wie ich; bewahre, das würde sich auch für dich gar nicht schicken.
ZAR (liest) "Herr Bürgermeister! Es liegt den Generalstaaten sehr viel daran, von dem Tun und Lassen eines Fremden, namens Peter, der gegenwärtig auf den Werften zu Saardam arbeitet, unterrichtet zu sein."
IWANOW (für sich) Ich bin entdeckt.
ZAR (für sich) Das bin ich.
VAN BETT Schön, mir liegt auch viel daran. – Sequens, mein Sohn, das heißt, lies weiter!
ZAR (liest) "Nehmen Sie die allernötigsten Maßregeln, damit dieser Fremde sich nicht von Saardam entfernt, und berichten Sie mir ungesäumt alles, was Sie in Erfahrung bringen können. Ich habe die Ehre zu sein
VAN BETT (und schließt den Satz ab) Gehorsamer Diener. Ist das alles?
ZAR Ja, Herr Bürgermeister.
VAN BETT (nimmt den Brief) Das ist eine äußerst verwickelte Sache, wie man sagt, ein casus confusus.
ZAR Haben denn der Herr Bürgermeister keine Ver- Mutungen, wer es ungefähr -
VAN BETT Schöne Frage! Ich vermute immer, eine gute Obrigkeit vermutet immer, und ich wette, in diese Sache ist eine wichtige Person verwickelt, die man fest-setzen soll, id est ad carcerem. Ein Ausreißer vielleicht.
IWANOW (bestürzt, für sich) Da haben wir's.
VAN BETT Frau Meisterin, lasst sämtliche Arbeiter sich hier versammeln.
MEISTERIN BROWE Ei, du Gerechter, Ihr werdet doch unter meinen Leuten keine Verbrecher suchen! Ich bin eine rechtschaffene Niederländerin, und mein Mann ist tot.
VAN BETT Ebendeshalb schafft mir die Leute her! Tutti.
MEISTERIN BROWE (gibt Iwanow ein Zeichen, dieser zieht eine Glocke) Bloß um Euch den
Willen zu tun.
(Die Vorigen. Zimmerleute kommen hastig von allen Seiten mit ihren Schurzfellen, Arbeitsgerät in Händen.
Nr. 5. Chor und Ensemble
CHOR Lasst ruhen die Arbeit, das Zeichen ertönet, Wir eilen zum Schnauze; Es rufet die Stunde, so lange ersehnet, Zum gastlichen Hause. Ein heitrer, fröhlicher Festtag ist heut, Bei Tanz und Gesängen entschwinde die Zeit. Lasst heute des Daseins uns erfreuen!
VAN BETT Was Tanz und Schmaus, es handelt sich hier Um Staatsgeschäfte!
(Unruhe im Chor)
Ruhe! Und dann Stellt euch in Reih und Glied, Dass die Physiognomien ich mir betrachten kann.
CHOR (unter sich) Was will er betrachten? Was schwatzt er für Zeug?
VAN BETT (für sich) Meinen Mann werd ich finden, Das merk ich gleich.
(Laut)
Antwortet laut und mit Verstand: Wer von euch allen wird Peter genannt?
ZAR Ich heiße Peter.
IWANOW UND MEHRERE ZIMMERLEUTE. Auch ich, auch ich!
VAN BETT Schreit doch nicht so fürchterlich 1 Ihr heißt alle Peter? Der Fall ist selten. Ihr könnt alle doch wohl nicht für Peter gelten?
DIE PETER Ihr fragt nach dem Namen, wer wird ihn verneinen, Wir sind viele Peter, was wundert ihr Euch?
VAN BETT Ei, hol euch der Teufel, ich suche nur einen Und finde ein ganzes Dutzend gleich.
CHOR Wir sind ihm zu viele, das ist doch zum Lachen, Doch was hat er vor? Wo will er hinaus?
VAN BETT (für sich) Ich muss die Sache pfiffiger machen, So bring ich es niemals heraus.
(Zum Chor)
Woher seid ihr?
CHOR Von Saardam.
VAN BETT Ist das auch wahr?
CHOR Ja, ja! Alle von Saardam.
VAN BETT Das ist mir nun schon ganz klar. Und welcher ist ein Fremder von euch?
ZAR, IWANOW Wir beide sind fremd.
VAN BETT Aha! Das dacht' ich mir gleich.
(Für sich)
Nur pfiffig sondieren und immer leise, Denn so nur erhält man das wahre Licht. O ich bin klug und weise, Und mich betrügt man nicht.
CHOR Die Sache wird lustig.
IWANOW (für sich) Ich bin verloren.
CHOR Jetzt packt er die beiden.
(Sie lachen)
VAN BETT Still, nicht gelacht!
(Zum Zaren)
Antworte, wo bist du geboren?
ZAR In Smolensk.
VAN BETT Das hab ich mir doch gleich gedacht.
CHOR (lachend) Haha, das hat er schlau gemacht.
VAN BETT Still, kein Wort kann man verstehn.
(Zu Iwanow)
Wo bist du geboren?
IWANOW In Moskau.
VAN BETT Schön, dein Name?
IWANOW (spricht) Peter Iwanow.
VAN BETT (spricht zum Zaren) Und du heißt?
ZAR (spricht) Peter Michaelow.
VAN BETT (kopfschüttelnd) Hm, hm! Der Fall wird kitzlig, so will mir's scheinen, Da hab ich wieder zwei für einen.
(auf Iwanow deutend)
Doch täuschet meine Weltkenntnis mich nicht, So hat der das echte Spitzbubengesicht.
ZAR, IWANOW, CHOR. Ist wohl die Frage uns erlaubt, Warum der Zeit man uns beraubt?
VAN BETT Ein hochgelehrtes Stadtgericht Schert sich um Zeit und Stunde nicht. Geht wieder zur Arbeit, ihr lieben Leute, ich weiß genug für heute.
(Zu Meisterin Browe, auf Iwanow deutend)
Auf diesen einen gebt wohl acht!
(zum Chor)
Ihr habt eure Sache gut gemacht.
CHOR Wenn dann nach der Arbeit das Zeichen ertönet, Wir eilen zum Schmause; Es rufet die Stunde, so lange ersehnet, Zum gastlichen Hause. Ein heitrer, fröhlicher Festtag ist heut, Bei Tanz und Gesängen entschwinde die Zeit. Lasst heute des Daseins uns erfreuen! Seine Art und seine Weise Ist die rechte wahrlich nicht, Drum sich jeder glücklich preise, Den verschonet sein Gericht.
IWANOW, ZAR Auf so abgeschmackte Weise Wird ihm nicht das kleinste Licht; Er dünkt sich sehr klug und weise, Doch, gottlob, er ist es nicht.
VAN BETT O ich bin klug und weise, Und mich betrügt man nicht.
(alle
zimmerleutegehen ab)
(van Bett. Meisterin Browe)
VAN BETT Verlasst Euch auf mich, Frau Browe, ich habe ihn; dieser Iwanow will mir nicht aus dem Kopf – er ist mir schon von einigen als ein homo suspectus bezeichnet worden.
MEISTERIN BROWE Ein pectus? Um Verzeihung, Herr Bürgermeister-
VAN BETT Das will sagen, ein Taugenichts, der sich's einfallen lässt, meine Nichte zu belieb äugeln.
MEISTERIN BROWE Davon weiß ich nichts, und es geht mich auch nichts an.
VAN BETT Aber mich geht's an, den Bürgermeister! Ich soll einen verdächtigen Menschen aufsuchen, und das kann kein anderer sein, als einer, der mit meiner Nichte liebäugelt.
MEISTERIN BROWE Kurz, ich halte den Peter Iwanow für einen rechtlichen Burschen. Jetzt muss ich an meine Geschäfte, also, Gott zum Gruß, Herr Bürgermeister.
VAN BETT Noch ein Wort, Frau Browe. Ihr gebt heute ein Gastmahl, ein Fest -
MEISTERIN BROWE Mein ältester Sohn macht Hochzeit, und da wissen Sie wohl -
VAN BETT Gut, habe gar nichts dagegen. Ich wollte Euch nur darauf aufmerksam machen, dass bei solchen Lustbarkeiten häufig Händel vorfallen.
MEISTERIN BROWE Das wollen wir nicht hoffen.
VAN BETT Bei Gott ist kein Ding unmöglich und bei besoffenen Zimmergesellen, noch viel weniger – ich halte es daher für meine Pflicht, alles in Person zu. beaufsichtigen.
MEISTERIN BROWE (für sich) Auf den haben wir gewartet.
(Laut)
Wenn es Ihnen Spaß macht -
VAN BETT Keineswegs; bloß ein Opfer, welches ich der öffentlichen Sicherheit bringe. Wann wird gespeist?
MEISTERIN BROWE Um zwölf Uhr ' Herr Bürgermeister.
VAN BETT Da finde ich mich ein, denn convivia habent
multa scandalia.
(Die Vorigen. Lord Syndham)
LORD Finde ich hier vielleicht den Herrn Bürgermeister?
MEISTERIN BROWE Hier, dieser Herr.
(Für sich)
Gott sei Dank, da werde ich den Gierschlund mit guter Manier los.
(Sie geht)
VAN BETT (ihr nachrufend) Ich lasse nicht warten, verlasst Euch darauf.
MEISTERIN BROWE Ich bin auch gar nicht bange.
(Sie geht ab)
(van Bett. Lord Syndham)
LORD Ich habe Sie um eine Gefälligkeit zu bitten, mein Herr.
VAN BETT (für sich) Das ist der Engländer, der sich seit einigen Tagen sehen lässt
(Laut)
Darf ich um Dero Firma, will sagen, Dero Namen bitten?
LORD Später sollen Sie erf Ähren, wer ich bin. Erst bedarf ich Ihres Beistandes bei einer Nachforschung von höchster Wichtigkeit.
VAN BETT Reden Sie! Nachforschungen – darin bin ich stark! Forte!
LORD So hören Sie; Sie müssen mir einen jungen Mann entdecken helfen, der sich als Zimmergeselle hier aufhält.
VAN BETT (für sich) Schon wieder.
(Laut)
Warten Sie mal, was für ein Landsmann?
LORD Einen Russen.
VAN BETT Der Peter heißt?
LORD Sie wissen also?
VAN BETT Ob! Dem laure ich schon lange auf, ich habe sogar vor wenigen Minuten noch Verhaltungsbefehle seinetwegen bekommen. Ich fixierte ihn - zwei Minuten - heraus war's.
LORD (vergnügt) Herr Bürgermeister, Ihr Glück ist in Ihren Händen.
VAN BETT In meinen Händen? Ei, wieso?
LORD (geheimnisvoll) Suchen Sie auf eine geschickte Weise von diesem Peter herauszubringen, welches seine Pläne in Bezug auf England sind.
VAN BETT Auf England? Aha!
LORD Doch ohne ihn merken zu lassen, dass er entdeckt ist; vor allem müssen Sie verhüten, dass der französische Gesandte uns zuvorkomme.
VAN BETT Der französische Gesandte, mischt sich der auch hinein? Das Volk muss seine Nase doch in alles stecken.
LORD Darum vorsichtig, denn auch er sucht unsern Peter und möchte gern – ebenso wie ich -
VAN BETT Aha! Intelligo. Verlassen Sie sich auf mich, ich werde alles leiten. Erst fange ich an - in Bezug auf – versteht sich, ohne ihn merken zu lassen – und dann ergibt sich das übrige von selbst.
LORD Gelingt es, so sind 2000 Pfund Ihr Lohn.
VAN BETT 2000 Pfund! Eure Herrlichkeit setzen mich in Verlegenheit.
LORD Wieso?
VAN BETT Hat gar nichts zu sagen; weiter, wenn's gefällig ist.
LORD Eilen Sie, die Sache ist dringend und die Zeit kurz. Wo finde ich Sie wieder?
VAN BETT In einer Stunde sind wir alle in der großen Schenke versammelt, unser Mann ist auch dort, und Ehrwürden hätten dann die schönste Gelegenheit -
LORD Gut, gut; um jedem Verdacht auszuweichen, werde ich verkleidet dort erscheinen. Sorgen Sie nur dafür, dass niemand mit ihm spricht. Vorsicht, die Sache ist zu wichtig. Auf Wiedersehen! 2000 Pfund! Bedenken Sie!
(Er geht ab)
VAN BETT Verlassen Sich Eure
Eminenz auf mich.
(van Bett allein)
(Iwanow. van Bett)
MARQUIS Sie sind so spröde; gewiss fürchten Sie, dass Ihr Liebhaber -
IWANOW (tritt dazwischen) Da ist der Liebhaber.
MARQUIS (lacht) Ah, freut mich, dass ich die Ehre habe -
IWANOW Mich nicht. Ist es bei Ihnen zulande Sitte, dass man sittsamen Mädchen am hellen, lichten Tage nachläuft?
MARQUIS Und wenn ich ja sagte?
IWANOW Hier wollen wir die Sitte nicht einführen, verstehen Sie mich?
MARQUIS Sehr determiniert! – Mein schönes Kind, wie nennt sich der junge Brausekopf?
IWANOW Peter Iwanow, Ihnen zu dienen oder nicht zu dienen, besser gesagt.
MARIE So fange doch nur nicht etwa Streit an.
IWANOW Es ist wahr, ich sollte mich eigentlich bei dem Herrn bedanken.
(Sie streiten zusammen)
MARQUIS (für sich) Peter Iwanow? Es wäre doch lustig, wenn ich durch die Neckerei mit einem Mädchen den Zaren entdeckt hätte, den ich seit zwei Tagen suche.
IWANOW (zu Marie) Ei Sapperment, alles muss doch seine Grenzen haben, auch die Courschneidenlauserei, und meine Meinung musste ich ihm wenigstens sagen.
MARQUIS (beiseite) Es wäre möglich - lass sehen!
(Laut)
Ihr heißt Peter?
IWANOW Ja, zum Henker, ich habe es schon einmal gesagt.
MARIE (leise) Wirst du dem Herrn gleich freundlich antworten, du grober Mensch!
IWANOW Du wirst doch nicht verlangen -
MARIE Ich tanze heut keinen Schritt mit dir.
IWANOW Aber Marie -
MARIE (böse) Adieu, Herr Iwanow!
IWANOW (mit grimassierter Freundlichkeit zum Marquis) Ich heiße Peter Iwanow.
(Für sich)
Dass dich ein
Donnerwetter!
(Die Vorigen. Zar)
Nr. 7. Finale
ZAR (zu Marie und Iwanow) Das Fest beginnt, seid ihr bereit und fertig? Schon ertönt lautes Jubelgeschrei; Man ist des Brautpaars nur gewärtig, Dann ziehn sie im Glanze hier vorbei.
MARIE Eben recht, dass Ihr kommt, denn nur Ihr seid der Mann, Der den Kopf diesem Herrn da zurechtsetzen kann.
ZAR Was gibt es wieder?
MARIE Händel zwischen den beiden; Dass man mich hübsch findet, will er nicht leiden, Und ich kann doch, weiß Gott, nichts dafür.
IWANOW Deine Hübschigkeit geht den Franzosen nichts an.
MARQUIS (der den Zaren beobachtet) Das ist wahrlich ein anderer Mann. Die edle Bildung, der feurige Blick!
IWANOW (für sich, auf den Marquis blickend) Wart nur, dir brech ich noch das Genick.
ZAR (für sich) Ein Franzose, wie kommt der hierher?
MARIE (zu Iwanow) Du wütest wieder gar zu sehr.
IWANOW Oh, dass er doch bei allen Teufeln wärl
MARQUIS Das ist fürwahr kein gewöhnlich Gesicht. Lass sehn, vielleicht täusche ich mich nicht.
(Er tritt zwischen Marie und Iwanow)
Ich kam nicht, Zwietracht zu erregen Hierher, das glaubt mir sicherlich. Drum frag ich, lieber Freund, weswegen Seid Ihr so bitterböse nur auf mich? Lasst Euren Zorn entschwinden Und reicht versöhnlich mir die Hand; Ist, eine Schöne schön zu finden, Denn ein Verbrechen hierzuland? Ich kann kein reizend Wesen sehn, Muss huld'gend nahn; Ist hier vielleicht Zuviel geschehn, Erbitt ich gnäd'ge Strafe mir.
MARIE Ich darf in Wahrheit eingestehen, Er huldigte sehr artig mir: Hat er Zuviel mich angesehen, Wird gnäd'ge Strafe ihm dafür.
IWANOW Ich darf in Wahrheit eingestehen, Er huldigte gehörig ihr; Das soll ich alles so ansehen, Und doch verargt den Zorn man mir.
ZAR (für sich) Ich darf in Wahrheit eingestehen, Der Mann aus Frankreich scheinet mir Nicht auf Erobrung auszugehen, Ihn fesseln andre Zwecke hier.
(Zum Marquis)
Wo sind Sie her, mein Herr, wenn mir erlaubt zu fragen?
MARQUIS (tritt dem Zaren zur Linken) Von Rijswijk, der Gesandtschaft dien ich dort; Wir reisen ab in wenig Tagen.
ZAR Warum verlassen Sie den Ort?
MARQUIS (den Zaren stets fixierend) Der Grund ist einfach, es kam uns zu Ohren - Die Nachricht wurde als verbürgt genannt - Der Zar sei rettungslos verloren, Der Russen Niederlage ist nur zu bekannt.
ZAR (heflig) Unmöglich!
MARQUIS (für sich) Es ist der Zar, bei meiner Ehr-.
ZAR Wer sagt das?
MARQUIS -s ist gewiss, der Russen tapfres Heer Soll vom Großwesir total geschlagen sein. Indem wir reden, ziehen sie in Moskau ein.
ZAR (sich vergessend) Ha, schändlich ist's erlogen! Die Türken weit und breit, Sie zittern vor der Russen Tapferkeit; Die Siege bei Procop verkünden ihre Taten.
MARQUIS (leise sprechend, zum Zaren) Sie sind der Zar, Sie haben sich verraten.
ZAR (für sich) Was tat ich?
MARIE, IWANOW (die sich zurückgezogen, vortretend) Was habt ihr?
ZAR Es ist nichts, mein Freund, glaube mir.
IWANOW (triumphierend zum Zaren) Du nimmst dich meiner treulich an, Das ist brav!
MARIE (spottend zu Iwanow) Was hat man dir zuleid getan, Du armer, armer Mann?
(Musik auf dem Theater)
Ach die Musik, ei das ist gut. Es geht zum Tanz.
IWANOW Mir ist gar nicht tanz11erig zumut.
(Sie gehen nach dem Hintergrund)
MARQUIS (zum Zaren) Sire, ich habe Sie erkannt.
ZAR Wer sind Sie?
MARQUIS Marquis von Chateauneuf, Vom König von Frankreich hierher gesandt. Wollen Sie die Gnad' gewähren, Mich huldreich anzuhören?
ZAR (leise) Man kommt. Auf Ihr Inkognito bedacht! Wir treffen uns, für jetzt so viel, Dass mir Ihr Hiersein Freude macht, Es führt vielleicht
uns zum gehofften Ziel.
(Die Vorigen. Meisterin Browe. Braut und Bräutigam nebst Gefolge. Musikanten)
CHOR Lustig zum Tanze, jubelt, springet Lustig zum Schmause, Gläser klinget! Schmücket mit Kränze das bräutliche Haus! Glück, Heil und Segen Auf allen Wegen Dem lieblichen Paar! Doch übers Jahr Bringen wir neue Wünsche dar.
MEISTERIN BROWE Ist es gefällig, Jungfer Marie, Euch unserm Zuge anzureihn?
MARIE Ihr seid zu gütig, die Braut geleiten Wird mir 'ne große Ehre sein.
MEISTERIN BROWE Dann lasst uns gehen, dort in der Schenke Ist zum Empfang schon alles bereit.
IWANOW Weißt du, Marie, was ich jetzt denke? Ich wollte, wir wär'n auch so weit.
MARIE Sieh doch nicht so grämlich drein, Versprich mir, recht hübsch fromm zu sein, Und plage dich nicht mit Sorgen. Ist es nicht heute, ist es doch morgen, In kurzem sind wir auch so weit, Dann singt man uns, so wie ihnen heut. Lustig zum Tanze, jubelt, springet, Lustig zum Schmause, Gläser klinget!
CHOR Lustig zum Tanze, jubelt, springet, Lustig zum Schmause, Gläser klinget!
MEISTERIN BROWE (erblickt Chateauneuf Wer ist der Fremde, kennt ihr ihn nicht, Mit welchem Peter so eifrig spricht?
CHOR Wer ist der Fremde, kennt ihr ihn nicht?
IWANOW Neugierig seid ihr ganz und gar nicht. 's ist ein Franzose, der dort steht Und allen Mädchen den Kopf verdreht.
DIE MÄDCHEN (sich vordrängend Allen Mädchen?
MARIE Das ist nicht wahr!
IWANOW Ja so, nur einer.
DIE MÄDCHEN Ist das wahr, ist das wahr?
IWANOW Jetzt ist mir's klar.
MEISTERIN BROWE Scheint ein Bekannter von Peter zu sein, Dann ist es schicklich, man ladet ihn ein.
(Sie will sich dem Zaren nähern, welcher bis dahin mit dem Marquis eifrig gesprochen hat)
IWANOW Das fehlte noch!
ZAR (mit steigendem Feuer) Denen ich Lieb um Lieb geweiht, Glanz und Wohlstand gegeben, Mir trachten die Falschen nach dem Leben! Doch die Verräter sollen es büßen! Sterben seh ich sie bald zu meinen Füssen!
(alle werden aufmerksam)
MARQUIS (bemerkt es und flüstert dem Zaren zu) Vorsicht, Sire, man merkt auf uns.
ZAR (fasst sich schnell und wendet sich mit erkünstelter Heiterkeit zu den übrigen) Lustig zum Tanze, jubelt, springet.
(Für sich)
Mein heißes Blut verrät mich.
MARQUIS (einfallend) Lustig zum Schmause, Gläser klinget!
CHOR Lustig zum Tanze, jubelt, springet, Lustig zum Schmause, Gläser klinget!
ZAR (zum Marquis) Hier lauscht man jedem unsrer Worte, Ich harre Ihrer am genannten Orte. Dort, von der Gäste Schwarm um rauscht, So leicht kein Späher uns belauscht.
(Heiter zum Chor)
Die Zeit verrinnt, das
Fest beginntl Die Zeit verrinnt, das Fest beginnt! Der Tag sei nur der Lust geweiht, Auf, auf zur Freud und Fröhlichkeit!
MARIE All diese bangen Zweifel, wann werden sie wohl enden? Schenkst du mir nicht Vertrauen, so wirst du nie mein Mann. Ich glaube, wenn wir beide schon vorm Altare ständen, So fingst du, mich zu quälen, von neuem wieder an. Denn deinem Wort ist nicht zu glauben, Und bin ich auch dein Weibchen, so hegst du dennoch Zweifel, Denn seh ich mich nur um, so wandelt Eifersucht dich an. Doch weg mit Grillen, weg mit Sorgen, Tanzt und jubelt bis zum Morgen! Ach, wie gerne möchte ich dir vertraun, Leider kann ich nie auf deine Schwüre baun.
IWANOW All diese bangen Zweifel, sie werden dann erst enden, Wenn ich als teure Gattin ans Herz dich schließen kann. Oh, dass wir doch nur beide schon vorm Altare ständen. Wie ruhig und zufrieden, wie glücklich wär ich dann. ja, auf mein Wort, du darfst mir traun, ja, auf mein Wort, du darfst mir glauben! Bist du nur erst mein Weibchen, dann schwinden alle Zweifel Und nimmer wandelt mehr ein Zug von Eifersucht mich an. Doch weg mit Grillen, weg mit Sorgen, Tanzt und jubelt bis zum Morgen! ja, du kannst auf meine Schwüre baun. Ich schwör es, du darfst mir kühn vertraun.
ZAR, MARQUIS Mög' der Himmel gnädig wenden, Was Verräter List ersann, Sonst muss/wird blutig ich/er vollenden, Und bestrafen diesen Plan. Wo Undank wohnt, nicht Frieden thront. Mein/Sein Volk beglücken ist mein/war sein eifriges Bestreben, Undank ist dafür mein/sein Lohn.
MEISTERIN BROWE, CHOR Freude streut mit vollen Händen Heute Gaben jedermann, Wollet drum das Wort kramenden, Dass das Fest beginnen kann. Ja, dieser Tag sei nur geweiht Der Fröhlichkeit, der Heiterkeit; Drum weg mit Grillen, weg mit Sorgen, Tanzt und jubelt bis zum Morgen!
(Alles wendet sich
zum Gehen)
(Das Innere einer großen Schenke. Der offene Hintergrund gewährt die Aussicht in den Garten mit Lauben und Bogengängen; Blumengewinde und bunte Lampen zieren das Ganze. Im Vordergrund wie im Garten befinden sich Stühle, Bänke und Tische mit Krügen, Flaschen, Gläsern, Pfeifen)
Nr. 8 a. Introduktion
(Allegro jubiloso)
(Zar, Iwanow sitzen vorn links zur Seite und rauchen. Zimmerleute, Frauen und Mädchen sitzen teils an Tischen und trinken, teils gehen sie umher, schäkern usw. Beim Aufziehen des Vorhangs muss das Ganze ein lebendiges Bild zeigen.
Nr. 8 b. Chor
CHOR Hoch lebe die Freude, hoch! Nur sie ist die Würze im Leben. Was wünscht der Mensch wohl noch, Ist Freude ihm gegeben?
EINZELNE STIMMEN Mich freut ein Gläschen, mich freut ein Mädchen, Mich ein schönes Mieder, mich frohe Lieder.
ALLE Gesundheit und ein heiterer, froher Sinn Reichen schon zur Freude hin. Drum freuet euch! Worüber, das bleibt sich gleich.
MÄNNER Frau Gevattrin, Ei, wir danken schön dafür.
FRAUEN Uns zu bedanken nach Gebühr.
MÄNNER Und die Frau Nachbarin daneben!
FRAUEN Uns zu bedanken nach Gebühr.
ALLE Wenn auch das Glas in Stücken zerfällt, Stoßt an, es leb' die ganze Welt. Juchhe! Schenket euch ein und trinket alle Gläser leer, Wer doch sein Leben lang so froh und fröhlich wär'! Stoßt an! Juchhe!
(Die Vorigen. Lefort)
IWANOW (steht gegen Ende des Chores auf) Nein, nun halt ich's nicht länger aus, ich muss sehen, wo sie steckt.
(Er geht nach dem Hintergrunde)
ZAR Nun, Iwanow, wohin?
(Er erblickt Lefort)
Ha, Lefort!
LEFORT (tritt zu ihm, leise) Alles ist zur Abreise bereit.
ZAR Noch einen Augenblick, Lefort. Ich erwarte jemand, dessen Anwesenheit meine Pläne ändern könnte.
LEFORT Darf ich fragen, wen?
ZAR Den französischen Gesandten.
LEFORT Und seine Absicht?
ZAR Ist, meine Anwesenheit in Saardam zu benutzen, mich zu gewinnen, und ich gestehe, dass die Allianz gerade in diesem Augenblick mir mehr als willkommen wäre.
(Sie sprechen leise weiter)
IWANOW (tritt wieder vor) Es ist von ihr nichts zu hören noch zu sehen, und ich hätte so viel mit ihr zu bereden. Oh, warum muss man sich doch, wenn man verliebt ist, ewig abquälen? Ich sehe gar nicht ein, warum, nicht einmal die Notwendigkeit.
MEHRERE GÄSTE (rufen) Bier her, Rum!
MARQUIS (tritt als holländischer Offizier verkleidet auf, den Zaren suchend) Ich muss gestehen, die Gesellschaft ist nicht übel für gekrönte Häupter und ihre Gesandten.
ZAR (den Marquis erblickend, für sich) Ha, Chateauneuf.
(Laut)
Kamerad, Kamerad!
IWANOW Wieder ein neuer Gast.
(Zar reicht dem Marquis die Hand und lädt ihn zum Sitzen ein)
MARQUIS (setzt sich auf Iwanows Platz) Guten Tag, Kameraden.
IWANOW (für sich) Der macht nicht viel Umstände.
(Laut)
Hört, guter Freund, das ist mein Platz.
MARQUIS So? Das freut mich.
IWANOW (für sich) Gott steh mir bei. Das ist der Franzose von heute früh.
ZAR (zu Iwanow) Nun, was fehlt dir? Du scheinst ja ganz verwirrt.
IWANOW O nichts
(Beiseite)
Wetter! Ich errate, wes-halb er kommt. Er hat es auf Marie abgesehen. Nun wird mir's nachgerade zu bunt.
ZAR lwanow - nimm deine Pfeife.
IWANOW (trocken) Ich habe schon geraucht.
ZAR So nimm dein Glas -
IWANOW Ich habe keinen Durst.
ZAR Ich wollte auf Maries Gesundheit trinken.
MARQUIS Wer ist das schöne Kind?
IWANOW (zum Marquis) Tun Sie mir den Gefallen, stellen Sie sich nicht so unschuldig.
ZAR Du bist übel gelaunt.
IWANOW I behüte. Ich kam hierher, mich lustig zu machen, und das tue ich auch. Juch! – Ich möchte verrückt werden!
(Zar, Marquis und
Lefort lachen)
(Die Vorigen. Marie)
MARIE (sehr eilig, zu Iwanow) Aber, wo steckst du denn? Ich suche dich überall.
IWANOW Siehe da, es freut mich, dass ich endlich das Vergnügen habe -
MARQUIS (sich umsehend) Die Kleine sieht bezaubernd aus.
LEFORT Allerliebst.
ZAR Bist du nun zufrieden, Iwan?
(Leise zum Marquis)
Zur Sache, Herr Marquis!
IWANOW Allerliebst, bezaubernd! Und das hörst du alles an?
MARIE Mein Gott, ich kann den Leuten doch das Reden nicht verbieten. Geh, du bist wieder recht brummig! Ich habe mich so oft auf den heutigen Abend gefreut, aber immer musst du mir die Lust verbittern. Komm mit, wir haben uns in der großen Laube versammelt und wollen das Brautlied singen, dass uns Peter Michaelow gelehrt hat, du tanzest dann mit mir die Runde.
IWANOW Marie, sieh mir einmal ins Gesicht.
MARIE (tut es) Nun?
MARQUIS (zieht mehrere Papiere hervor, leise zum Zaren) Hier ist der Traktat, wenn Eure Majestät geruhen wollen -
IWANOW Hast du mich wirklich aufgesucht?
MARIE Wen soll ich denn suchen?
IWANOW Es könnte ja auch wohl der gewisse jemand sein.
MARIE (lauter) Du meinst doch nicht den Franzosen?
(Marquis hört es und sieht sich um)
IWANOW ja, sehen Sie sich nur um, die Rede ist von Ihnen.
MARIE Pfui, lwan, das war wieder ein schlechter Witz.
MARQUIS (steht auf) Sie haben mich also wiedererkannt, mein schönes Kind?
IWANOW jetzt geht das Courschneiden wieder los.
MEHRERE GÄSTE (haben sich, während der Zar liest, hinter ihm gesammelt) Was haben denn die da zu verhandeln?
ANDERE Wohl Staatsgeheimnisse?
MARIE (die sich mit dem Marquis unterhielt) Nein, mein Herr, wir haben keine Zeit, wir müssen zum Konzert.
MARQUIS (lacht) Zum Konzert?
MARIE (mit einem Knicks) Ich bin die Sängerin, mit Ihrer Erlaubnis, ich singe vor.
MARQUIS Ach, dürfte ich Ihnen doch nachsingen.
MARIE Das steht Ihnen frei. Können Sie denn auch singen?
MARQUIS Ei wohl, aber nur zärtliche, schmachtende Romanzen.
(Er geht zum Zaren zurück)
IWANOW (läufl herum) Gott steh mir bei!
(Zu Marie)
Komm, Marie, wenn der Kerl gar anfängt zu singen, trifft mich der Schlag.
MARQUIS (leise zum Zaren) Sie werden beobachtet.
IWANOW Komm, Marie, mir fängt an schwül zu werden.
MARIE Gleich! gleich!
(Zum Marquis)
Bitte, lieber Herr, singen Sie etwas Schmachtendes.
IWANOW Aber Marie -
ZAR (leise zum Marquis) Tun Sie es, damit ich ungestört bin.
MARQUIS (zu Marie) Was könnte ich Ihnen abschlagen? Sie wünschen also -
MARIE Etwas recht Zärtliches; hier
(auf Iwanow zeigend)
dieser junge Mann hört es so gern.
(Iwanow seufzt)
MARIE Hören Sie, wie er seufzt. Ja, solche Lieder sind seine Passion, so etwas zum Zerfließen!
(Leise zu Iwanow)
Das ist für deinen niedrigen Argwohn.
MARQUIS Tretet näher, meine Freunde, und singt den Endreim mit.
(allesammeln sich um den Marquis. Zaran seinem Tische, liest ungestört)
Nr. 9. Lied mit Chor
MARQUIS Lebe wohl, mein fland'risch Mädchen, Wider Willen muss ich fort; Doch ich liebe dich von Herzen, Darauf geb ich dir mein Wort. Teurer weit als meine Seele Bist du, o Geliebte, mir! Und keiner andern soll's jemals gelingen, Mir auch entfernt nur gefährlich zu sein; Konnt' ich dein Herz, deine Liebe erringen, Kann ich auch ewige Treue dir weihn!
MARIE, MARQUIS, CHOR. Ewige Treue will ich/er ihr weihn. Ich/ Er will ewige Treue der Teuren weihn.
MARQUIS Gib mir diese seiden Locke, Auf dem Herzen ruhe sie, Meiner holden Maid aus Flandern, Die ich wider Willen flieh, Ihrer werd ich mich erinnern, Wenn mich Kampf und Schlacht umgibt. Doch wirst du auch einstens meiner gedenken Der dir gehöret mit Herz und mit Sinn, Und eine Träne der Wehmut mir schenken, Wenn ich nicht mehr unter Lebenden bin? Wirst du auch meiner zärtlich gedenken, Teures Mädchen, der dir stets gehöret mit Herz und Sinn?
MARQUIS, MARIE, CHOR Der dir gehört mit Herz und Sinn; Wirst du mein auch gedenken mit Herz und Sinn?
(Die Vorigen. Meisterin Browe kommt von hinten)
MEISTERIN BROWE Bringt die Tische und Bänke beiseite, wir müssen hier tanzen; es wird zu feucht im Garten, und das ist für junge Eheleute nicht gut.
MARIE Frau Meisterin, ist mein Oheim noch im Garten?
MEISTERIN BROWE Ei freilich, er tut mehreren Zimmerleuten die Ehre an, mit ihnen zu trinken, und schreit dabei, dass einem Hören und Sehen vergeht.
MARIE Desto besser, so denkt er nicht an mich.
IWANOW Du fürchtest wohl, er möchte dich in deiner höchst angenehmen Unterhaltung stören, denn du bist über das Lied ja ordentlich verzückt!
MARIE Höchst!
IWANOW Ganz außer dir.
MARIE Höchst.
IWANOW Du beträgst dich -
MARIE Wie eine Verzückte.
MEISTERIN BROWE Aber, was habt ihr denn miteinander?
MARIE Herr Iwanow setzt mir soeben die Romanze auseinander, die der Herr sang.
MEISTERIN BROWE Dummes Zeug! Stellt euch zum Tanz, gleich kommt die Musik.
(Sie geht anordnend nach dem Hintergrunde)
IWANOW Nichts setz ich auseinander, aber die Romanze setzt uns auseinander, und ich danke Gott, dass mir endlich die Augen geöffnet wurden. Oh, ich merke alles, ich bin nicht so dumm. Der verkappte Franzose hat dich bestrickt, will dich zur Gräfin, zur Prinzessin, zur – Gott weiß was - machen, und mich denkst du so lange an der Nase herumzuführen – aber nein, so haben wir nicht gewettet. Gott ist mein Zeuge, ich habe dich so herzlich liebgehabt, ich hätte mein Leben für dich gegeben, ich wäre mit dir in den Kanal gesprungen. Aber nein, erst werfe ich den Romanzensänger hinein und dann – dann springe ich noch lange nicht hinterdrein.
MARIE (nach einer kleinen Pause, ernst) Wäre dein Betragen einer Erwiderung wert, so würde ich dir antworten, so aber will ich es bis morgen versparen, wenn du ausgeschlafen hast. Das eine nur:
(tragisch)
halte mich nicht für herzlos und glaube gewiss, dass deine Rede mich erschüttert haben würde – ich schwöre es dirbei der Liebe, die ich stets für dich gehegt habe -, wenn du mir nicht die beruhigende Gewissheit gegeben hättest, dass du –
(mit Humor)
unter keiner Bedingung ins Wasser springst.
(Sie lacht)
IWANOW Das hab ich nun davon, jetzt lacht sie mich noch aus. O Weiber, Weiber!
(Die Vorigen. van Bett)
VAN BETT (noch hinter der Szene) Schon gut, schon gut! Stattet mir morgen Euern Bericht ab; jetzt hab ich keine Zeit.
MARIE Mein Oheim, er darf mich hier nicht finden!
(Sie versteckt sich unter der Menge)
MEISTERIN BROWE (mit van Bett vortretend) Was gibt's, Herr Bürgermeister?
VAN BETT Kleinigkeit. Soeben meldet mir mein Schreiber, dass verschiedene Gefangene meine Abwesenheit benutzt haben und entwichen sind.
MEISTERIN BROWE Ei, das, ist denn doch -
VAN BETT Pah, das ist mir schon hundertmal passiert.
(Er blickt spähend umher)
MEISTERIN BROWE Wen suchen denn der Herr Bürgermeister?
VAN BETT Ich reflektiere bloß.
(Für sich)
Der Mann von 2.000 Pfund lässt lange auf sich warten.
(Er erblickt Iwanow)
Ah, sieh da, Herr Iwanow! Ich freue mich, dass ich die Ehre habe.
MEISTERIN BROWE Ei, Sie sind ja auf einmal gewaltig höflich gegen einen Zimmergesellen.
VAN BETT (leise) St! Erinnert Ihr Euch, Frau Browe, was ich heute früh zu Euch sprach?
MEISTERIN BROWE (ebenso) Wegen Iwanow?
VAN BETT Ich sagte Euch: dieser vermeinte Zimmergeselle ist nicht, was er scheint; er ist entweder ein Prinz oder ein Spitzbube, ein Mittelding gibt's nicht.
MEISTERIN BROWE Aber, gestrenger Herr Bürger-meister -
VAN BETT Prinz oder Spitzbube, denkt an mich.
(Er sieht sich um)
Da kommt der Mylord.
(Zur Witwe Browe)
Lasst Euch aber nichts merken.
MEISTERIN BROWE (sich zurückziehend) Der schwatzt wieder entsetzlich viel dummes Zeug.
(Die Vorigen. Lord Syndham, als holländischer Schiffer verkleidet, tritt vor)
VAN BETT (ihm entgegen) Ah - Euer Herrlichkeit.
LORD (leise) St! Hier bin ich nicht Lord.
VAN BETT (ebenso) Das konnt' ich mir gleich denken. Ich habe schon alles eingeleitet. Dort,
(auf Iwanow deu-tend)
dort ist unser Mann.
LORD Sind Sie Ihrer Sache auch gewiss?
VAN BETT Das sollen Sie gleich hören.
(Laut)
Herr Iwanow!
IWANOW Zu Befehl!
(Für sich)
Aha, das ist der Oheim.
VAN BETT (leise zum Lord) Sehen Sie, alles ist richtig.
LORD Was richtig?
VAN BETT Alles. Hören Sie nicht, er sagte: zu Befehl.
LORD Nun?
VAN BETT Wenn einer "zu Befehl" sagt, ist alles richtig.
LORD Ich werde mich überzeugen.
IWANOW Holla! Rum! Gläser!
ZAR Papier und Tinte.
(Man bringt das Verlangte. Der Chor hat sich währenddessen zurückgezogen)
Nr. 10. Sextett
VAN BETT, LORD, IWANOW MARQUIS, ZAR, LEFORT Zum Werk, das wir beginnen, Braucht es der Klugheit Macht, Um Großes zu gewinnen Durch Pläne, schlau erdacht. Drum prüfe sich ein jeder, Jetzt ist dazu noch Zeit, Auf dass dann keiner später Geschehenes bereut. Ans Werk!
(Alle setzen sich: der Lord, van Bett und Iwanow an den Tisch rechts, der Zar, der Marquis und Lefort links)
LORD (zu van Bett) Sind Sie gewiss, dass wir ganz ungestört?
VAN BETT Sei'n Sie versichert, dass niemand hier uns hört.
LORD (nach rechts zeigend) Doch jene Leute an dem Tische dort?
VAN BETT -s sind lust'ge Vögel, hören nicht ein Wort. Doch bäte ich, zum Ziele zu gelangen. Dass jeder nun frei und offen seine Meinung sagt.
IWANOW Das ist mir lieb.
VAN BETT Heraus denn ohne Bangen, Hier unter Freunden keiner etwas wagt.
MARQUIS Sind Sie gewiss! dass niemand hier uns hört?
ZAR Seien Sie ganz ruhig, wir sind ganz ungestört.
MARQUIS Doch jene Zecher an dem Tische dort?
ZAR 's sind lust'ge Vögel, sie schwatzen, sie trinken Und hören nicht ein Wort.
LORD (zu Iwanow) Geruhen Majestät mich anzuhören.
VAN BETT (erstaunt) Majestät?!
IWANOW Ei, wie komm ich so zu Ehren?
LORD Verzeihung, ich vergaß -
VAN BETT (für sich) 'ne Majestät.
(Laut)
Aha!
LORD Nicht unvorsichtig, Herr van Bett!
IWANOW (zum Lord) Ganz frei heraus, lieber Herr, ich dächte, Dass meine Sache man recht bald in Ordnung brächte, Auf dass ich könnte ruhig sein.
LORD Sire, das liegt an Ihnen nur allein.
VAN BETT (für sich) Es ist ein Sire, das leuchtet mir jetzt ein.
MARQUIS (zum Zaren) Gestatten Majestät mir eine Frage?
ZAR Sehr gern.
MARQUIS Was halten Sie von dem Vertrage?
ZAR (zum Marquis) Zur Antwort, dass ich gern, ich will nicht leugnen, Bereit wär', den Traktat zu unterzeichnen, Wenn ausgedehnte Vollmacht Ihnen ward.
MARQUIS (übergibt eine Schrifl) Hier der Beleg, dass nichts daran gespart.
LORD (der währenddessen mit Iwanow gesprochen, freudig zu van Bett) Ich rücke näher schon dem Ziel.
VAN BETT So schnell? Ei, das ist wirklich viel.
LORD Sehr viel.
VAN BETT Entsetzlich viel!
(Leise zum Lord)
Doch sagen Sie mir nur mit einem Worte, Sie nannten diesen Mann ja Majestät -
LORD Nun freilich.
VAN BETT Was ist's denn für `ne Sorte Von Majestät?
LORD St!
VAN BETT St! Ich bin ganz Ohr.
(Beiseite)
's ist nicht richtig, alle beide Kommen mir verdächtig vor.
ALLE Unsre Absicht zu erreichen, Lasst uns schlau zu Werke gehn; Denn auch nicht das kleinste Zeichen Deute, dass wir uns verstehn. Darum leise und mit Vorsicht Werde jeder Schritt getan: Nur auf solche Weise gelinget der Plan.
VAN BETT Man möchte gleich des Teufels werden, Wenn man nie etwas erfährt.
ZAR (zum Marquis) Den Entwurf nun aufzusetzen, Sehn Sie ernstlich mich bereit.
(Er schreibt)
IWANOW (zum Lord) Nur über eines bin ich nicht im klaren, Drohn mir denn künftig auch wirklich nicht mehr Gefahren? Sie sagten vorhin, man forsche noch nach mir.
LORD Darüber kann ich ganz genau berichten, Sire; Die Herren Gesandten fremder Mächte, sie trachten Sich Ihrer zu bemächt'gen.
(leise)
in Person.
(Sie sprechen weiter)
VAN BETT (beiseite) Sich seiner zu bemächt'gen, alle Wetter! Das ist ein Demagoge, so viel merk ich schon. Dann kann er doch auch nicht von hoher Abkunft stammen, Denn Prinz und Demagoge, das passt doch nicht zusammen. Lauter Wirrwarr, keine Klarheit! Lauter Lügen, keine Wahrheit!
IWANOW (zum Lord) Das eine nur, mein Herr, bemerk ich Ihnen: Nicht hab ich Lust, ferner noch zu dienen.
LORD Ha, ich versteh, Neutralität ist Ihnen lieber.
IWANOW (bejahend) Neutralität.
VAN BETT Neutralität, da geht nichts drüber.
ZAR Hier mein Entwurf, lesen Sie, Marquis.
LORD (leise zu van Bett) Ich bin am Ziel. Um eins noch bitt ich Sie, Mir ferner beizustehn, wie es geschah bisher.
VAN BETT Versteht sich, die seltne Ehr' -
LORD Fortan sei Ihre erste Pflicht, Streng zu verhüten, dass ihn jemand spricht, Vorzüglich niemand Fremdes! Sie verstehn mich doch?
VAN BETT Ist's Ihnen recht, so steck ich ihn sogleich ins Loch.
LORD Herr, sind Sie toll? Was reden Sie für Zeug? - Die tiefste Ehrfurcht -
VAN BETT Das dacht-' ich mir gleich.
ZAR Nun, Marquis, sind Sie zufrieden?
MARQUIS (der gelesen hat) Welch glücklich Los ward mir beschieden, Dass zum Vermittler mich mein König auserkor.
ZAR (steht auf, die andern beiden mit ihm) Unsre Ansicht? Marquis. Ist nur eine.
(Sie reichen sich die Hände)
IWANOW (steht auf, die andern mit ihm) Ihre Ansicht ist die meine.
VAN BETT (für sich) "Ihre Ansicht ist die meine." Es ist nicht richtig, alle beide Kommen mir verdächtig vor.
ALLE Unsre Absicht zu erreichen, Lasst uns schlau zu Werke gehn; Denn auch nicht das kleinste Zeichen Deute, dass wir uns verstehn. Darum leise und mit Vorsicht Werde jeder Schritt getan: Nur auf solche Weise gelinget der Plan.
(Lefort geht auf
einen Winkb des Zaren ab)
(Die Vorigen. Meisterin Browe. Marie)
(Vor Anfang des Sextetts hatte sich ein Teil der Anwesen-den teils entfernt, teils ganz in den Hintergrund gezogen. Alles tritt nun wieder vor)
MEISTERIN BROWE Hierher die Musik! Sind die Tische noch nicht beiseite? Angepackt, junge Burschen! Frisch, munter, der Tanz geht los.
MARQUIS (fröhlich) So ist's recht, lustig muss man sein. Das ist der schönste Tag meines Lebens.
(Er stößt auf den Lord)
Was seh ich?
LORD Das ist'Marquis von Chateauneuf.
MARQUIS Sie sind's, Mylord? Wozu diese Verkleidung?
LORD Wie kommen Sie in diesem Gewande in die Schenke?
MARQUIS (leise) St! Ein verliebtes Abenteuer, ver-raten Sie mich nicht.
LORD Da geht's Ihnen wie mir, ich bin auch verliebt.
MARQUIS (für sich) Der sucht, was ich bereits gefunden.
LORD (für sich) Der gute Marquis kommt etwas zu spät.
EINIGE (rufen) Zum Tanz! Zum Tanz!
ANDERE Das Brautlied! Das~ Brautlied!
VAN BETT Ruhe! Nicht so gelärmt, wenn Personen von hohem Range anwesend sind.
EINIGE (unter sich) Was sagt er? Wie ist das?
LORD (leise) Aber Herr Bürgermeister -
VAN BETT Verstehe!
(Laut)
Ich wollte sagen, wenn ich anwesend bin.
DIE GÄSTE (unter sich) Ach so, wenn's weiter nichts ist.
VAN BETT Frau Browe, ich glaube, das Volk räsoniert.
MEISTERIN BROWE Ei behüte, sie meinen nur, aus Ihnen machten sie sich nichts.
VAN BETT Das kann ich den Leuten nicht verdenken, besonders wenn ihrer so viele beieinander sind. – Näher, liebe Leute, geniert euch meinetwegen gar nicht. Tanzt und singt! Wo ist denn meine...
(erblickt Marie, die sich unter der Menge versteckt hält)
Ah, sieh da, unsere teure Nichte.
MARIE Mein Gott, ich suche Sie überall -
VAN BETT Freut mich, dass du da bist.
(Beiseite)
Jetzt kann ich ihr allenfalls erlauben, hierzubleiben, denn ist er ein Prinz, so kann man nicht wissen -
MARIE Sie erlauben mir also, hierzubleiben?
VAN BETT Ei, was werde ich nicht. Es sind ja
(auf Iwanow deutend)
Personen gegenwärtig, denen deine Gegenwart vielleicht nicht ganz unangenehm ist.
(Für sich)
Aha, die Majestät schmunzelt. Oh, es ist doch etwas Einziges um ein majestätisches Schmunzeln.
ALLE Das Lied! Das Lied!
VAN BETT Singe, mein Kind, befriedige die zarten Gemüter.
(Marie steht in der Mitte; auf der einen Seite der Zar und der Marquis, auf der andern der Lord und van Bett, welche sich bemühen, lwanow ins Gespräch zu ziehen, dieser ist aber nur mit Marie beschäftigt)
Nr. 11. Brautlied mit Chor
(Während des Ritornells wird getanzt)
MARIE Lieblich röten sich die Wangen Einer Jungfrau hold und schön; Ihre Brust schwellt süßes Bangen, Sieht ihr Aug' den Jüngling stehn. Naht er ihr mit Liebesscherz, Weiß sich's Mädchen nicht zu fassen; Möcht ihn lieben, möcht ihn hassen. Was bedeutet das, mein Herz? Jungfrau, solche zarten Triebe Künden die erwachte Liebe! Darum hütet eure Herzen, Mit der Liebe gilt kein Scherzen.
CHOR Darum hütet eure Herzen, Mit der Liebe gilt kein Scherzen.
MARIE Doch dein Herz ist schon getroffen: Beim Geliebten ist dein Glück, Und dein Sehnen und dein Hoffen Strahlt sein Auge dir zurück. Mägdlein ruft: wer rettet mich? Mädchen, bald sollst befreiet du dich sehen. Wirst du zum Altare gehen, Legt dein Harm sich sicherlich. Jungfrau war nicht mehr zu retten, Seufzt nun in der Ehe Ketten. Alle Mägdlein, trotz der Klagen, Müssen solche Fesseln tragen.
CHOR Alle Mägdlein, trotz der Klagen, Müssen solche Fesseln tragen.
(Nach dem Lied Lärm von außen)
Neunter Auftritt
(Die Vorigen. Lefort. Später kommt Meisterin Browe von hinten)
LEFORT (eilig zum Zaren) Der Kurier von Moskau ist da. Die Empörung ist allgemein.
ZAR (heflig) Tod und Hölle. Es ist die höchste Zeit. Fort nach Moskau!
MEISTERIN BROWE (bestürzt) Mein Gott, was soll das bedeuten! Das ganze Haus ist von Soldaten umringt.
ALLE Soldaten?
VAN BETT Wer untersteht sich -
MEISTERIN BROWE Da kommen sie schon.
(Sie tritt zurück)
ZAR Verdammt, wie nun
entkommen?
(Die Vorigen. Ein Offizier mit Wachen)
VAN BETT (ihm entgegen) Herr, wie können Sie sich unterfangen, ohne mein Vorwissen -
OFFIZIER Ich habe meine Verhaltungsbefehle, denen ich folgen muss.
VAN BETT (beruhigt) Das ist etwas anderes. Wenn Sie Verhaltungsbefehle haben -
OFFIZIER Sie sind der Bürgermeister von Saardam?
VAN BETT Der bin ich.
(Zu den andern)
Ja, wenn er Verhaltungsbefehle hat -
OFFIZIER Dem Rate von Amsterdam wurde angezeigt, dass seit einigen Monaten auf den Schiffswerften von Holland sich Fremde einfinden und eine große Anzahl von Arbeitern weglocken; sie haben beschlossen, dieser Falschwerberei Einhalt zu tun.
LEFORT (leise) Das geht auf uns.
ZAR (ebenso) Still!
VAN BETT. Sag ich's doch! Die Bürgermeister von Hol-land verstehen alle nichts. Ich stehe dafür, dass zu Saardam-
OFFIZIER Eben zu Saardam haben die meisten Abwer-bungen stattgefunden.
VAN BETT Hab ich's nicht gedacht? Und kein Mensch macht mir eine Anzeige davon.
OFFIZIER Nach dem Beschlusse der Herren soll jeder Fremde, der sich nicht hinlänglich legitimieren kann, verhaftet werden.
VAN BETT Verhaftet und eingesperrt. Meine Maxime!
IWANOW Ich bin verloren.
ZAR Das Abenteuer wird lustig.
VAN BETT Halt, ich hab's! Seit heute morgen hab ich schon Verdacht.
(Er sieht sich um)
Wir sind von Staats-verrätern umgeben.
ALLE (erschrocken) Staatsverräter?
ZAR Verwünscht!
IWANOW O weh!
VAN BETT Gleich sollt ihr euch überzeugen.
Nr. 12. Finale
Schon seit geraumer Zeit bemerk ich hier Gesichter, Die mir ganz unbekannt; Und die gehören sicherlich zu dem Gelichter, Das man soeben mir genannt. Mir wird es sicherlich gelingen, Zum Geständnis sie zu bringen. Sondieren werde ich ganz leise. Dass ohn' Erlaubnis keiner spricht! O ich bin klug und weise, Und mich betrügt man nicht.
ALLE Was will er tun, wen will er zwingen? Wen will er zum Geständnis bringen? Schlauheit ist sonst seine Sache nicht.
VAN BETT Hier von diesen beiden Laffen Hab ich einen ausersehn.
(Zum Marquis)
He, was hast du hier zu schaffen? Wirst du gleich es mir gestehn?
MARQUIS Gesandter des Königs von Frankreich und Navarra, Marquis von Chateauneuf nennt man mich.
VAN BETT O weh! Was hab ich da getan! Da kam ich gleich beim ersten übel an.
CHOR (verwundert) Ein Gesandter! Ein Gesandter von Frankreich?
VAN BETT (ärgerlich zum Chor) Von Frankreich, von England, von Spanien, von Schottland, Das bleibt sich gleich. Habt Respekt, das rat ich euch.
(Zum Marquis)
Vergebung Euer Gnaden, denn ich irrte mich; Den an Ihrer Seite, den meinte ich.
(Zu Lefort)
Antworte mir, wer bist du? Sprich!
LEFORT Gesandter des Kaisers aller Reussen, Admiral Lefort nennt man mich.
VAN BETT O Donnerwetter! Was soll das sein? Das begreife ein andrer als ich.
CHOR Zwei Gesandte! Was soll das heißen? Zwei Gesandte in der Schenke, wie wunderlich!
VAN BETT (zu Lefort) Verzeihung, erhabner Admiral! Wie kann der Mensch sich irren, 's ist wahrhaftig ein Skandal!
SOLI und CHOR Der Spaß fängt an uns zu belust'gen. Lass doch sehn, wie weit er's treibt, Ob er beim Examinieren bleibt.
VAN BETT (erblickt den Lord, beiseite) Halt! jetzt hab ich's, der muss es sein, Der mir die Pfunde zugedacht Und noch kein Lot mir hat gebracht; Der mich so frech belogen, Unterhandlungen gepflogen Hier bei trautem Rendezvous. Heraus mit der Sprache! Wer bist du? Bei Eurem Kopf, die Wahrheit gesteht!
LORD Gesandter der brit-schen Majestät, Lord Syndham werde ich genannt.
VAN BETT Das ist zu toll, ich verliere den Verstand; Wohin ich mich auch wende hier in dem Kreise, Erblicke ich ein hochgebor'n Gesicht!
SOLI, CHOR O er ist klug und weise, Und ihn betrügt man nicht.
VAN BETT Stille, nicht Allotria getrieben! Wird mein Ansehn so geehrt? Wo bin ich doch gleich stehengeblieben? ja so, nun weiß ich's. Ihr Leute, hört! Von denen hier sich nichts ermitteln lässt, Drum hört mich an, was ich ersann!
(Auf den Zaren und Iwanow deutend)
Gleich packt mir die zwei Burschen fest.
ZAR, IWANOW Wen, mich? Was fällt Euch ein?
MARIE, MEISTERIN BROWE Nun geht's von vorne wieder an!
CHOR Was haben die ihm denn getan?
(Sie wollen auf beide los)
VAN BETT Wollt ihr nicht auch Gesandte sein?
MEISTERIN BROWE Herr Bürgermeister -
VAN BETT Lasst mich gewähren!
MARIE Liebster Oheim -
VAN BETT Ich will nichts hören!
ZAR Ihr wollt es wagen?
VAN BETT Packt ihn, ihr Leute!
IWANOW Lasst Euch doch sagen -
VAN BETT Sie alle beide!
MARIE Aber so hört mich doch nur an, Was hat Euch Iwanow getan?
VAN BETT Geh mir, Mädchen, schnell aus dem Gesicht, Misch dich in Staatsgeschäfte nicht.
CHOR Er ist fürwahr im Kopfe toll! Er weiß nicht, wen von allen er einsperren soll. Und widerstrebt man ihm, braucht er Gewalt.
DIE ÜBRIGEN Fürwahr, er ist im Kopfe toll! Er weiß nicht, wen er fangen soll, Und widerstrebt man ihm, braucht er Gewalt.
VAN BETT Ich werde wahrlich noch im Kopfe toll! Und einer ist es, den ich fangen soll, Und braucht man Widerstand, brauch ich Gewalt. Ihr alle räumt nun diesen Ort! Ihr schleppt mir diese beiden fort!
(Man will lwanow fassen)
LORD (schnell und leise zu van Bett) Herr, wissen Sie auch, was Sie wagen? Das ist der Zar.
VAN BETT Nicht möglich!
(Auf den Zaren zeigend)
Dann packt mir diesen.
MARQUIS (schnell und leise) Herr Bürgermeister, wissen Sie, was Sie wagen? Das ist der Zar.
VAN BETT Ach, was Sie sagen! Sehr klug, sehr pfiffig, sehr schlau, sehr fein! Nun wollen alle wieder Zare sein. Abgetan, man will mich hier vexieren, Ich lasse alles arretieren, Gesandte - Zare - Wirte - Gäste, Alles sperrt ein, so ist's das beste.
ZAR (wütend) Ha, wag es, mir zu nahn, wer noch Lust am Leben hat! Mein Langmut ist zu Ende, und es wendet sich das Blatt. In dem Staub zu meinen Füssen Und zu spät wirst du erfahren, Was, Verwegner, du gewagt. Sollst du dein Vergehen büßen.
VAN BETT Was, du willst dich widersetzen? Diese Kühnheit geht zu weit! Deine Frevel zu bestrafen, bin als Richter ich bereit. Soviel darf getrost ich sagen, Ich gebiete hier allein; Solche Keckheit zu ertragen, Müsst' ich mehr als Schwachkopf sein.
MARQUIS, LEFORT, LORD. Ha, er will sich widersetzen, es kommt noch zu blut'gem Streit! Seine Kühnheit zu bestrafen, sehen wir ihn schon bereit. Wenn wir ihn gewähren ließen, Würde er bald Blut vergießen; Doch davor ihn zu bewahren, Werde alles gern gewagt.
CHOR Ha, er will sich widersetzen, es setzt sicherlich noch Streit, Und gefangen ihn zu sehen, wäre doch uns allen leid. Seinem Zorne nach zu schließen, Kommt es noch zu Blutvergießen. Könnten wir doch nur erfahren, Weshalb er so vieles wagt.
MARIE, IWANOW Seinem Zorn sich/ mich widersetzen, Sei du nimmermehr / Siehst du nimmer mich bereit, Denn was könntest du / könnte ich gewinnen, Führte es zu blut'gem Streit? Nein, du darfst dich nicht / Nimmer werd ich mich entschließen, Ohne Not Blut zu vergießen. Davor soll dich / Gott bewahren, Denn es hieße viel gewagt.
VAN BETT Wagt ihr hier noch ein Wort, Sperr ich euch alle ein!
LORD, LEFORT, CHOR Wagt man hier noch ein Wort, Sperrt er uns alle ein!
ZAR Mein Geheimnis werd ich wahren, Doch die Kühnheit nicht verzeihn.
MARQUIS Sein Geheimnis wird er wahren, Den Gefahren nun sich weihn.
MARIE, MEISTERIN BROWE, IWANOW Keine Silbe mehr zu wagen, Wird das beste nun wohl sein!
MARIE, IWANOW, LEFORT, LORD, CHOR Eilig uns fort von hier jetzt zu tragen, Wird wohl das beste sein.
ZAR Wagst du nur noch ein Wort jetzt zu sagen, Büßt du dein Leben ein.
MARQUIS Seinen Zorn zu ertragen, Wird wohl das beste sein.
VAN BETT Solchen Hohn zu ertragen, Müsst' ich ein Schwachkopf sein.
(Gegen Ende geht der Bürgermeister auf den Zaren los, dieser schleudert ihn zurück, worauf sich van Bett unter einem Tische verkriecht; der Zar'ergreifl einen Stuhl und schlägt auf den Tisch, die Platte s Pringt herunter und van Bett läuft mit dem Tisch als Halskragen durch die Menge, die ebenfalls handgemein wurde. Die Männer ergreifen Stühle und Bänke; die Weiber rennen dürr scheinender, die Soldaten verteidigen sich mit den Kolben, und unter allgemeiner
Bewegung fällt der Vorhang)
(Große Halle im Stadthause zu Saardam Den Hintergrund bildet ein durch einen Vorhang
geschlossener großer Bogen)
(Van Bett gravitätisch auftretend und sinnend rund um die Halle schreitend; ihm dicht auf der Ferse folgt ein Ratsdiener, welcher eine Menge Notenblätter trägt; dann treten junge Mädchen und Burschen, ihn begrüßend, ein)
Nr. 13a. Ensemble
VAN BETT (zum Chor) Den hohen Herrscher würdig zu empfangen, Beschied ich, meine Freunde, euch allesamt hierher. Es sollen Worte ihm zum Ohr gelangen, Wie er auf dieser Welt vernimmt sie nimmermehr. Worte voll Salbung, voll Demut und Moral, Und Schmeicheleien ohne Zahl.
CHOR Lasst doch hören, lasst doch hören! Alle sind wir gern bereit, Einen Kaiser hoch zu ehren, Der uns seine Liebe weiht. Doch wir möchten gerne wissen, Wer der große Herrscher ist, Wenn wir ihn empfangen müssen, Sprecht, wie heißt er?
VAN BETT Nun so wisst: 's ist der Kaiser aller Reußen.
CHOR Aller Reußen?
VAN BETT Oder Russen, wie ihr wollt. Peter Iwanow hat er geheißen, Dem man jetzt so hohe Ehre zollt.
CHOR Iwanow, der Zimmermann?
VAN BETT Das war sein Privatvergnügen Höhern Pflichten zu genügen, Er den schlauen Plan ersann. Lasset ohne Zeitverlieren Die Kantate uns probieren, Die zu anderm Zwecke zwar verfasst, Sich jedoch hierher grad' passt.
CHOR Her die Noten!
VAN BETT Nur Geduld!
Die Worte sind von mir verfasst, In einer schönen Stunde; Doch bin ich nur Poet, nicht Musiker, aus diesem Grunde Erfand mein Freund, der Kantor, mir, auf dass es wirksam sei, Zu diesen schönen Worten eine zarte Melodei. Den Solosang wird' ich mit Kraft und Grazie vollführen. Ihr sollt den Chor mit Präzision riskieren! Da ,n der Kirche ihr perfekt von Noten singt, So ist es ganz natürlich, dass es hier euch auch gelingt.
CHOR Her die Noten, Ihr sollt sehen, Dass wir uns darauf verstehen.
(Ratsdienerverteilt die Noten und stellt alle in einem Halbkreis auf)
VAN BETT Nehmt die Noten!
CHOR Mir her!
(Sie greif en danach)
VAN BETT Und Ruhe dann.
CHOR Mir her!
VAN BETT jetzt fang ich mein Solo an: „Heil sei dem Tag, an welchem du bei uns erschienen." Dideldum. - Das ist das Zwischenspiel. - "Es ist schon lange her, Wir alle können uns nicht mehr darauf besinnen", Dideldum! "Das freut uns um so mehr. Aus vollem Herzen rufen wir: Heil uns, der Zar ist da! Du bist ein großer Held! Vivat! Halleluja!" O wie schön die Worte fließen. Wie ein Bächlein über Wiesen; Gar nicht schwülstig, ganz natürlich, Und der Stilus so ausführlich. Jeder Redesatz korrekt, Das macht sicherlich Effekt.
CHOR Ja, wenn wir alle erst es wissen, Macht es sicherlich Effekt.
VAN BETT Aufgepasst! Schärfet alle Aug und Ohr, Denn noch einmal trage ich die Stelle vor.
CHOR Aufgepasst! Schärfet alle Aug und Ohr, Denn noch einmal trägt er jetzt die Stelle vor
VAN BETT Ruhe, schwatzt mir nicht so viel Und habt acht aufs Zwischenspiel
CHOR "Heil sei dem Tag, an welchem du bei uns erschienen, Dideldum -
VAN BETT (ihnen nachäffend) Dideldum! - Dideldum ist kein Gesang; Es ist, ich sagte es euch schon, Nur Instrumentenreflexion.
CHOR Aha! Es ist nur Reflexion.
VAN BETT Hört mich an, es ist nicht schwer, Und dann schreit mir nicht so sehr. Reißt. die Mäuler nicht so weit, Sonst wird-s nichts in Ewigkeit. "Heil sei dem Tag, an welchem du
CHOR "Heil sei dem Tag-"
VAN BETT Das ist zu hoch! Halt!
CHOR "Heil sei dem Tag -"
VAN BETT Das ist zu tief - schweigt still! Ruhe!
CHOR "An welchem du bei uns erschienen."
VAN BETT Hört mich doch an1
DIE MÄDCHEN (unter sich zankend) Du hast gefehlt, ich war ganz recht.
VAN BETT Halt't eure Mäuler!
DIE MÄDCHEN Ich singe gut, du triffst so schlecht.
VAN BETT Wollt ihr schweigen!
CHOR Ihr sollt jetzt entscheiden, wer von uns gefehlt.
ALLE (umringen van Bett und schreien ihm in die Ohren) "Heil sei dem Tag, an welchem du bei uns erschienen!"
VAN BETT Euer Singsang ist ein Graus. Reißt der Zar sich vor Entsetzen Lieber alle Haare aus.
DIE MÄDCHEN Besser wird es uns gelingen, Wenn wir ganz alleine singen, Denn wenn Ihr dazwischen schreit, Wird es nichts in Ewigkeit.
VAN BETT Darin bin ich eurer Meinung, jeder singe, wie er kann; Fanget ohne meine Leitung Noch einmal von vorne an.
CHOR (der sich wieder im Halbkreis aufgestellt hat) "Heil sei dem Tag, an welchem du bei uns erschienen."
VAN BETT jetzt tacet für den Chor
CHOR "Es ist schon lange her."
VAN BETT Bravo!
CHOR "Wir alle können uns nicht mehr darauf besinnen."
VAN BETT St!
CHOR Das freut uns um so mehr. Aus vollem Herzen rufen wir:"
VAN BETT (soufflierend) Heil uns, der Zar -
CHOR "Heil uns, der Zar ist da."
VAN BETT Schön, schön!
CHOR "Du bist ein großer Held! Vivat! Halleluja."
VAN BETT O wie schön die Worte fließen. Wie ein Bächlein über Wiesen.
CHOR Nun sprecht, wie haben wir gesungen, Wie ist es uns gelungen, Legen wir wohl Ehre ein?
VAN BETT Köstlich habt ihr nun gesungen, Endlich ist es euch gelungen.
CHOR So werdet Ihr zufrieden sein?
VAN BETT So werde ich zufrieden sein!
CHOR So legen wir auch Ehre ein?
VAN BETT So legt ihr große Ehre ein!
CHOR Wir legen Ehre ein, das wird 'ne Freude sein! Endlich ist es uns gelungen, und wir legen damit Ehre ein
VAN BETT Wie so schön die Worte fließen, wie ein Bächlein hin; Gar nicht schwülstig, ganz natürlich, Und der Stilus so ausführlich. ja, wir legen Ehre ein.
ALLE "Du bist ein großer Held, vivat hoch!« Das wird 'ne große Freude sein, Wir legen Ehre ein.
(Alle wenden sich
zum Gehen)
(Die Vorigen und Zar)
ZAR Was geht denn hier vor?
VAN BETT Was Euch nichts angeht, Ihr kecker Gesell. Binnen kurzem wird aber zwischen uns beiden etwas vorgehen, was Euch gar sehr angeht.
ZAR Und das wäre?
VAN BETT Sieh doch an, die liebe Unschuld, wie sie tut, als ware nichts vorgefallen. Ihr wisst doch, dass Ihr mir einen Stoß versetzt habt?
ZAR Ich, Herr Bürgermeister?
VAN BETT Habt Ihr mir einen Stoß versetzt oder nicht?
ZAR Ja, Herr Bürgermeister.
VAN BETT Nun, das ist mir lieb -
ZAR 's ist gern geschehen.
VAN BETT Ausreden lassen! Es ist mir lieb, dass Ihr es eingesteht. Hätte der fremde Gesandte nicht für Euch Kaution gestellt, so säßet Ihr in Ketten und Banden. Verstanden? jetzt habe ich die Feierlichkeit im Kopf, aber in einer Stunde werdet Ihr Euch einfinden, dann geht das Verhör los.
ZAR Aber ich wüsste nicht -
VAN BETT Ich sage Euch, das Verhör geht los, und wisst Ihr, was ein Verhör zu bedeuten hat?
ZAR So halb und halb.
VAN BETT Das ist mir lieb. Quousque tandem abutere, Catilina, patientia nostra? Wisst Ihr, was das heißt?
ZAR Nein.
VAN BETT Das heißt: Das Verhör geht los. Kommt, meine Freunde!
Nr. 13 b Refrain
ALLE (indem sie abgehen) "Du bist ein großer Held, vivat hoch!" Das wird 'ne Freude
sein, wir legen Ehre ein.
(Zar allein)
ZAR Dummkopf! In einer Stunde kannst du dein Verhör auf
offener See halten
(Zar. Marie)
MARIE Gut, dass ich Euch finde. Ihr spracht meinen Oheim; hat er Euch gesagt, wie es mit Iwanow steht?
ZAR Soviel ich weiß, gut. Er ist auf freiem Fuße, wie ich.
MARIE Das wusste ich wohl; der eine Herr Gesandte hat sich für euch beide verbürgt, aber wie steht es denn weiter mit ihm?
ZAR Weiter? Soviel ich weiß, gut.
MARIE Seid nicht so wortkarg; sagt mir, ist er denn wirklich -?
ZAR Was?
MARIE Der Kaiser von Moskau?
ZAR Die Leute sagen es, und Ihr Oheim überhäuft ihn mit Ehrenbezeigungen, also muss es doch wohl wahr sein.
MARIE (verzweifelt) Also doch! Und so auf einmal! Ach, du lieber Himmel, was soll denn da aus mir werden? Als Kaiser kann er mich doch nicht heiraten.
ZAR Möchten Sie nicht Kaiserin sein?
MARIE je nun, es mag wohl so übel nicht sein, wenn man sich gegenseitig recht lieb hat; ich habe aber immer gehört, bei den hohen Herren dauerte das nicht lange. Und was hätte ich denn von einem Manne, der den ganzen Tag regierte und sich gar nicht um mich bekümmerte.
ZAR Was wäre denn da zu tun?
MARIE Reden Sie ihm zu, dass er abdankt. Was hat er denn davon? Viele Menschen, die ihm den Kopf warm machen, viele Sorgen, Krieg das ganze Jahr, und am Ende kommt doch nichts dabei heraus.
ZAR Wenn es aber das Wohl von vielen Tausenden gälte?
MARIE (nach einer Pause) Das ist etwas anderes. Mich freut es, wenn ich nur einen einzigen glücklich machen kann, und auf ihn warten Tausende - ja dann muss er folgen, aber, es wird mir das Herz brechen.
(Mit Tränen)
Ach, nun fühl ich erst, wie lieb ich ihn habe. Aber wozu diese Mummele? Warum kam er als Zimmergeselle, um sich meine Liebe zu erwerben, warum nicht gleich als Kaiser? Da wusste ich doch, woran ich war.
ZAR Verhältnisse wahrscheinlich. jetzt ein ernstes Wort, liebe Marie. – Ihr Glück liegt mir am Herzen, und gelingt mein Plan, so führe ich Sie heute noch in Iwanows Arme.
MARIE (erfreut) In des Kaisers lWanow Arme?
ZAR Gleichviel ob Kaiser oder nicht, genug, ich bewirke es, Sie werden seine Gattin.
MARIE (freudig) Wär's möglich - Sie könnten –
(Plötzlich ernst)
Ach gehen Sie; Sie sind mir auch so ein Heimlicher, man weiß nie, was man aus Ihnen machen soll.
ZAR Mögen Sie mich halten, wofür Sie wollen – mein Wort darauf, lwanow wird Ihr Mann.
MARIE (Außer sich vor Freude) Wenn das wahr würde, liebster Herr Michaelow, ich wollte Sie für den besten Menschen auf der Welt, für einen Engel wollte ich Sie halten. Aber täuschen Sie mich auch nicht? – Nein, Sie haben sich uns stets so treulich genähert ' Ahr biederer Sinn, Ihr gutes Herz hat uns so oft bewiesen, wie gut Sie es mit uns meinen – nein, Sie täuschen uns gewiss nicht, Sie haben zwei so ehrliche Augen. Ach, wäre Iwanow nur da, dass ich ihm unser Glück verkünden könnte! Meinen Oheim kriegen wir herum, das ist Nebensache; und wenn ich erst gewiss wüsste, dass Iwanow kein Kaiser ist, ich wollte vor Freude jauchzen, dass man es bis übers Meer hörte.
ZAR Nur jetzt noch nicht.
MARIE Ich werde ganz leise jauchzen. – Noch eins: weiß Iwan schon?
ZAR Kein Wort. Er darf vor einer Stunde auch keine Silbe davon erfahren.
MARIE Vor einer Stunde? Aber wie hängt denn das eigentlich zusammen?
ZAR Das soll Ihnen nach Verlauf einer Stunde alles klarwerden. Für jetzt müssen Sie ihn als Kaiser behandeln, öffentlich wie unter vier Augen, das bedinge ich.
MARIE Oh, ich werde nichts verraten. Wenn ich ihm begegne, werde ich sprechen: Haben Euer Majestät gut geschlafen, oder haben Euer Majestät heute viel zu regieren, kann ich helfen? Und wenn er mich dann staunend ansieht, dann werfe ich ihm einen Blick zu, so einen gewissen, den versteht er recht gut, und versteht er ihn nicht, so sage ich ihm -
ZAR St! Kein Wort!
MARIE Kein Wort, ich tue nur, als ob ich etwas sagte; aber wenn alles vorbei, wenn unser Glück entschieden ist, dann wird ihm gehörig der Text gelesen, weil er mich so geängstigt hat. Lebt wohl, lieber, lieber Michaelow, mögt Ihr nun sein, wer Ihr wollt, ich betrachte Euch als unsern Schutzgott!
(Herzlich)
Für jetzt kann ich Euch nichts weiter bieten, als den Dank eines armen Mädchens, dessen Lebensglück Ihr gründen wollt,
(heiter)
für die Zukunft sollt Ihr ein Glied unserer Familie sein. Bei der Verlobung, bei der Trauung, bei der Hochzeit, bei – bei allem, was vorfällt, sollt Ihr der erste sein.
(Rasch ab)
(Zar allein)
ZAR Glückliche, beneidenswerte Menschen! Euch lächelt froh die Zukunft, wie in der Kindheit goldnen Tagen, wo noch kein Kummer die Seele drückt.
Nr. 14. Lied
Sonst spielt' ich mit Zepter, mit Krone und Stern; Das Schwert schon als Kind, ach, ich schwang es so gern! Gespielen und Diener bedrohte mein Blick; Froh kehrt-' ich zum Schosse des Vaters zurück. Und liebkosend sprach er: Lieb Knabe, bist mein! O selig, o selig, ein Kind noch zu sein!
Nun schmückt mich die Krone, nun trag ich den Stern, Das Volk, meine Russen, beglückt` ich so gern. Ich führ sie zur Größe, ich führ sie zum Licht, Mein väterlich Streben erkennen sie nicht. Umhüllet von Purpur nun steh ich allein - O selig, o selig, ein Kind noch zu sein!
Und endet dies Streben und endet die Pein, So setzt man dem Kaiser ein Denkmal von Stein. Ein Denkmal im Herzen erwirbt er sich kaum, Denn irdische Größe erlischt wie im Traum. Doch rufst du, Allgüt'ger: In Frieden geh ein!" So werd ich beseligt dein Kind wieder sein.
(Er geht ab)
(Iwanow allein)
IWANOW (ihm nachrufend) Michaelow! - Er hört nicht! Rätselhafter Mensch, bald fange auch ich an, mich vor ihm zu scheuen. Zwar wenn ich's recht bedenke, was wollen denn die Menschen aus mir machen? Der Bürgermeister nennt mich Majestät, man huldigt mir, gibt mir Ehrenwachen, und wenn ich frage, was das bedeutet, so hüllen sich alle in ein geheimnisvolles Schweigen. Je nun, mir ist alles recht, und nebenbei habe ich von dem närrischen Zeuge wenigstens den Nutzen, dass ich nicht an meinen Obersten
ausgeliefert werde.
(Iwanow. Marie)
MARIE (Er kehrt zurück und sucht den Zaren) Noch eine Frage, Herr Michaelow... Wie... du bist es?
(Sich fassend)
Euer Majestät sind es?
IWANOW Sieh da, Marie, was willst du denn hier?
Nr. 15. Duett
MARIE Darf eine niedre Magd es wagen, Sich Eurer Majestät zu nahn? ch wollte untertänigst fragen, Ob Sie Herrn Michaelow sahn?
IWANOW Hör auf, Marie, lass die Possen, Ich bin ja keine Majestät. Es hat mich lange schon verdrossen, Dass man mich mit Gewalt erhöht!
MARIE O Majestät sind zu bescheiden, Ich weiß es besser, wer Sie sind.
IWANOW Dann bist du zu beneiden! Wer bin ich? Sag es mir geschwind!
MARIE (sich vergessend) Du bist ein Spitzbub!
IWANOW Ich, Marie?
MARIE Was tu ich!
IWANOW Meinst du dein Herz, ja allerdings, Dein Herz, das stahl ich dir.
MARIE (für sich) Herrgott, es ist ja viel zu frühe, Michaelow verbot es mir.
IWANOW Du hast mich zum besten, gleich gib mir Kunde, Wer konnte wohl unser Fürsprecher sein?
MARIE Ich bleibe stumm und vor einer Stunde Lass ich mich in keine Erklärung ein.
IWANOW Das ist mir zu bunt.
MARIE (Für sich) Er will mich fangen.
IWANOW (Für sich) Sie hat mich zum besten.
MARIE (Für sich) Er ärgert sich, er ärgert sich fürchterlich.
(Forte)
Wenn Euer Majestät verlangen, So bin ich so frei und empfehle mich.
IWANOW So geh nur.
MARIE Das tu ich.
IWANOW In Gottes Namen.
MARIE Empfehl mich.
IWANOW Diener!
MARIE Das klingt sehr galant. Majestät gehen wohl sehr viel um mit Damen?
IWANOW (trotzig) Sehr viel; das tu ich, hab ich stets getan.
MARIE (sich vergessend, will auf ihn los) Du!
IWANOW Was gibt's?
MARIE (fasst sich, beiseite) Da seht doch, da seht doch den Duckmäuser an!
BEIDE (Für sich) Wart nur! Später werd ich's dir gedenken, Was ich jetzt leide; die Spielerei Werd ich dir niemals schenken. Wart nur! Ist nur die Stunde erst vorbei; Teuer sollst du mir bezahlen, Darauf setze ich mein Leben ein; Und sollte auch das Ende unsrer vielen Qualen Der Anfang des Glückes sein.
IWANOW (für sich) Ich soll durchaus den Herrscher spielen, Ich mag nun wollen oder nicht, Wohlan, nun soll sie einmal fühlen, Wie's tut, wenn man mit einem spricht.
(Laut)
Jungfrau Marie!
MARIE Sie befehlen?
IWANOW Man geht hinaus!
MARIE Sieh einmal an.
IWANOW Jungfrau Marie!
MARIE Sie befehlen?
IWANOW Man bleibt!
MARIE (beiseite) Der Grobian!
IWANOW Jungfrau Marie!
MARIE (ungeduldig) Ja, so heiß ich, Was steht denn eigentlich noch zu Gebot?
IWANOW (mit komischer Gravität) Wir sind der Kaiser.
MARIE Ei ja, das weiß ich.
IWANOW Und was für einer, sapperlot! Drum wollt' Euch unserm Willen fügen, Wir bieten gnäd'gen Kuss Euch an.
MARIE (ihn foppend) Der Herr Franzos' küsst mich mit vielem Vergnügen, 's ist überhaupt ein feiner Mann.
IWANOW (seine Würde vergessend, will auf sie zu) Du!
MARIE Majestät?
IWANOW (fasst sich, für sich) Da seht doch, da seht doch die Duckmäuserin an.
BEIDE (Für sich) Wart nur! Später werd ich's dir gedenken, Was ich jetzt leide; die Spielerei Werd ich dir niemals schenken. Wart nur! Ist nur die Stunde erst vorbei; Teuer sollst du mir bezahlen, Darauf setze ich mein Leben ein; Und sollte auch das Ende unsrer vielen Qualen Der Anfang des Glückes sein.
(Marie geht ab)
(Iwanow will sich nach der andern Seite entfernen.
Zar tritt ihm entgegen)
ZAR (lebhaft) Das ist zum Rasend werden! Der Hafen ist gesperrt. Selbst der Kapitän, der mich führen sollte -
IWANOW Ei, Michaelow, du kommst mir wie gerufen.
ZAR Nun?
IWANOW Weißt du wohl, dass deine Freiheit bedroht ist? Die Leute wollen nämlich mit aller Gewalt in uns beiden einen Ausreißer und einen Zaren finden. Da sie mich nun alle für den Zaren nehmen, so musst du der Ausreißer sein.
ZAR Die Leute sind alle toll. Doch sei es, wie es sei, noch in dieser Stunde muss ich fort.
IWANOW Also ist die Sache so ernsthaft?
ZAR Meine Ehre, mein Leben steht auf dem Spiel.
IWANOW Wenn's so ist, muss sich meine Majestät ins Mittel schlagen. - Da -lies,
(er zieht ein Papier hervor)
ich ernenne dich zu meinem Geheimsekretär und nehme dich mit auf meiner Jacht.
ZAR Was seh ich? Wie kamst du zu diesen Papieren?
IWANOW Lieber Gott, wie eine Majestät zu so etwas kommen kann. Ich begegnete vorhin dem englischen Lord; er versichert mir, meine Feinde wären darauf bedacht, mich hier in Saardam festzuhalten, gibt mir diesen Pass, bietet mir eine Jacht, Matrosen, Geld - ich begreife nichts von allem, das tut aber nichts, er hat es zu verantworten.
ZAR (nachdem er gelesen) Herrlich! Wir sind gerettet!
IWANOW. Ganz gewiss!
ZAR Ich nehme dich mit, wenn du willst.
IWANOW Wie kommst du mir denn vor? Ich nehme dich mit, wenn du es erlaubst.
ZAR Einerlei - wir reisen noch in dieser Stunde.
IWANOW Nicht einerlei. Was soll denn aus Marie werden?
ZAR Für euch ist gesorgt. Nimm dies versiegelte Papier und gelobe mir, es vor einer Stunde nicht zu öffnen.
IWANOW Kommst du mir auch mit der Stunde? Da mach ich kurzen Prozess.
(Er will das Papier öffnen)
ZAR (reißt es ihm aus der Hand) Halt! Nicht eher, als bis ich auf off ner See bin.
IWANOW Ich denke, wir reisen zusammen -
ZAR Oder bis wir uns getrennt – diese Schrift enthält dein Glück.
IWANOW Du begründest mein Glück? Ich werde immer konfuser.
ZAR Du willst nicht -?
(Er will gehen)
IWANOW (schnell) Versteht sich. Her mit dem Glück!
ZAR Du gelobst mir auch, dies Papier nicht eher zu erbrechen -
IWANOW Als bis eine Stunde vorüber, das ist eine alte Geschichte. jetzt gib mir aber auch den Pass.
(Er nimmt die Schrifl)
ZAR Den empfängst du später.
IWANOW Aber Michaelow!
ZAR (zornig) Gehorche!
IWANOW Was Teufel!
(Marquis. Lefort. Zar. Iwanow)
Nr. 16. Quartett
ZAR (Marquis und Lefort beiseiteziehend) Freunde, hört, das Mittel ist gefunden, Das alsbald uns nun von dannen bringt. Seht diesen Pass, wir sind in wenig Stunden , Schon weit von hier.
MARQUIS und LEFORT Wohl Euch, wenn es gelingt; Doch dem Zar zu huld'gen naht die Menge In hoher. Feier diesem Ort.
ZAR Zustatten kommt uns dies Gedränge, Leise schleichen wir uns fort.
IWANOW (beiseite) Was soll ich von dem allen glauben, Warum verstehen sie sich gleich? Will man mir meine Freiheit rauben? Das wäre ein verwünschter Streich.
MARQUIS, LEFORT (zu Iwanow) Wenn Euer Majestät befehlen, So gehen wir.
IWANOW Was heißt denn das?
MARQUIS und LEFORT Wir werden andre Zeit erwählen.
IWANOW Was? Andre Zeit? Gib mir den Pass!
ZAR Den Pass erhältst du ohne Zweifel, Sobald es Zeit und Stunde ist.
IWANOW (zornig) Hol alle Stunden doch der Teufel, Ich bin ein Opfer seiner List.
ZAR, MARQUIS, LEFORT Armer Schelm, er weiß es nicht zu deuten, Was uns allen Heil und Nutzen bringt. Diese List wird uns ans Ziel geleiten, Gib, o Himmel, dass
sie uns gelingt! (Der neunte auftritt wird gewöhnlich fortgelassen, und das Finale beginnt mit dem Auftritt des Chors)
CHORS Während friedlich unterm Sternenbogen Alles schlummert schon in süßer Ruh, Eilen wir auf raschen Wogen Einem teuren Lande zu.
IWANOW Nein, bei Gott, ich weiß es nicht zu deuten, Dass man mich um meine Freiheit bringt. Dies der Zweck von seinen Heimlichkeiten, Gib, o Himmel, dass es nicht gelingt. Während unterm Sternenbogen Alles schlummert schon in süßer Ruh, Eile ich auf raschen Wogen Mit Marie einem fernen, teuren Lande zu.
(zar, marquis und
Lefort gehen ab)
(Ein Fahnenträger eröffnet den Zug; ihm folgen sechs kleine Mädchen in Nationaltracht, dann zwei Männer, die einen mit Blumen gezierten, thronartig gestalteten Sitz tragen, welchen sie im Vordergrunde auf einigen sich dort befindlichen Stufen niedersetzen. Van Bett mit den Ratsherren paarweise, vor jedem Paar wieder ein Fahnen träger; dann Marie und Meisterin Browe mit dem Chor der Mädchen und Frauen, ihnen folgen die Männer paarweise. Der Zug geht um die ganze Bühne und stellt sich dann zu beiden Seiten im Hintergrunde auf. Wenn der Zug steht, will sich Iwanow, der sich staunend im Vordergrund aufhielt, entfernen; auf einen Wink des Bürgermeisters umringen ihn die kleinen Mädchen und ziehen den sich Sträubenden zum Sitz)
CHOR Schmücket mit Kränzen und Blumen die Halle, Singt, ihn zu ehren, ein heiteres Lied, Dass es dem großen Monarchen gefalle Und dass er unsre Freude sieht. Mög' er länger noch bei uns verweilen Und wie sonst unsre Freuden teilen! Jauchzet hoch auf, es lebe der Mann, Der unbekannt aller Herzen gewann!
VAN BETT Möcht' es, großer Held, dir gefallen, Fröhlichen Tänzen dein Auge zu leihn, Würd' es uns Hochbeglückten allen Ein ganz besonders Vergnügen sein.
(Iwanow nickt) (Van Bett gibt ein Zeichen)
Ballett
(Nationaltanz mit Holzschuhen)
VAN BETT (nachdem der Tanz zu Ende) Erhabner Held, die Römer und Griechen Opferten Tiere bei jeglichem Fest! Wir konnten keinen Ochsen kriegen, Der sich so etwas gefallen lässt. Auch ist bekannt, dass solch ein Ergötzen Sich für die heutige Zeit nicht mehr passt; Diesen Mangel nun zu ersetzen, Gab ich mich her und habe zierliche Reime verfasst.
(Er stellt die Personen zum Gesang auf)
MARIE (steht Iwanow zur Seite und flüstert ihm zu) Zage nicht, nah sind wir dem Ziel, Und eine frohe Zukunft lacht.
IWANOW 's wäre Zeit, dass dem närr'schen Spiel Ein bald'ges Ende würd' gemacht.
MARIE Ja, unsre Wünsche krönt ein gütiges Geschick.
IWANOW Sieh dies Papier, es enthält unser Glück.
VAN BETT. Dass ihr mir die Verse nicht zerstückelt, Im Flüsse muss das Ganze gehn.
MARIE (zu Iwanow) Unser Glück ist in Papier gewickelt? Ei, ei, wie soll ich das verstehn?
IWANOW Mein Kind, das sollst du nun bald sehn.
VAN BETT (ist mit dem Ordnen fertig) "Heil sei dem Tag, an welchem du bei uns erschienen. Es ist schon lange her."
CHOR Heil sei dem Tag, an welchem du bei uns erschienen. Es ist schon lange her. Aus vollem Herzen rufen wir: Heil uns, der Zar ist da!"
(Ein Ratsdienerkommt eilig und flüstert dem Bürgermeister etwas ins Ohr)
VAN BETT Ei was, jetzt kann mich niemand sprechen, Meinen Vortrag unterbrechen Kann ich nun und nimmermehr.
(Ratsdienergeht ab)
CHOR, VAN BETT "Du bist ein großer Held, vivat!
(Kanonenschüsse und Lärm von außen)
Welch Geräusch! Was gibt-s? Wer stört des Tages Feier?
RATSDIENER (stürzt herein und spricht) Der Hafen ist geöffnet. Peter Michaelow an der Spitze einer großen Mannschaft will soeben auslaufen.
VAN BETT Ha, Verrat!
CHOR Ha, Verrat!
VAN BETT Welch höllisches Komplott!
CHOR Ein Komplott?
VAN BETT Rebellion!
CHOR Was soll das wohl bedeuten?
VAN BETT, CHOR Greifet alle zu den Waff en, Diesen Frevel zu bestrafen Sei nun meine / Eure erste Pflicht.
(van Bett erteilt im Hintergrunde Befehle. Mehrere eilen hinaus, allgemeine Bewegung)
MARIE und IWANOW (im Vordergrunde) So hat er uns betrogen Und Freundschaft nur gelogen, Unsre Hoffnung ist dahin.
MARIE Doch die Schrift, die du empfangen, Wohl zu seinen Gunsten spricht.
IWANOW Gern erfüll ich dein Verlangen, Ihn verteid'gen wird sie nicht.
VAN BETT (öffnet dieses Saales Türen,) Die zunächst zum Hafen führen.
IWANOW (hat die Schrift gelesen und spricht) Heiliger Nikolaus, was sehen meine Augen?
ALLE Was geschieht? Was ergreift die Majestät?
IWANOW (spricht) Peter Michaelow, er ist der Zar! Da steht es.
(Er liest)
"Hiermit gebe ich meine Einwilligung zur Verheiratung des Kaiserlichen Oberaufsehers Peter Iwanow
(für sich)
Das bin ich!
(liest weiter)
mit der Nichte des schwachköpfigen –"
VAN BETT (spricht) An diesen huldreichen Gesinnungen erkenn ich den Zaren.
(In diesem Augenblick wurden die hintern Vorhänge geöffnet; man erblickt den Hafen. In der Mitte auf einer Jacht steht der Zar (als Zar gekleidet), umgeben von Lefort, Marquis und Offizieren)
VAN BETT (sieht sich um und ruft) Da steht er! - Der muss es sein.
(Die Musik fällt rauschend ein)
ALLE (rufen) Es lebe der Zar!
ZAR (auf dem Schiffe) So scheid ich denn von euch im Hochgefühle, Dass eure Liebe meinen Namen nennt. Mich ruft die ernste Pflicht zum höhern Ziele! Doch wenn auch fernes Land und Meer uns trennt: Ihr denkt freundlich dann an den Zimmermann! Lebt wohl! Kühn mög' euer Fleiß mit kräft'gem Arm manchen Bau noch vollenden Stolze Schiffe sollen meiner Huld gnäd'ge Grüße euch senden.
ALLE Kann uns auch dein Lied nicht mehr erfreun, Soll dein Name doch uns Leitstern sein! Über Land und Meer tön' es hinaus: Heil dem Zar und seinem Haus!
(Gegen das Ende eilen Iwanow und Marie zum Schiff und knien nieder. Van Bett sammelt einige der im Vordergrund Stehenden, um seine Kantate zu beginnen. Trommeln wirbeln, Matrosen erklettern die Mastbäume, Glocken läuten, |
ACTO
PRIMERO
(Danza típica
con zuecos) |