ERSTES BILD
(Antoniterhof am Main. Ende Mai, +
Mittagszeit, heller
Sonnenschein. Die Stiftsgebäude
befinden sich im
Hintergrunde, ebenso ein grosses
Tor, das auf die Strass
führt. Links ist ein bunter
Blumengarten, ein Brunnen davor,
dessen Wasser in einen
ausgehöhlten Baumstamm läuft.
Wäsche hängt auf dem Zaun. Auf
der rechten Seite ein
gedeckter Gang. Hier steht
Mathis, der damit beschäftigt ist,
die Wände des Ganges auszumalen.
Neben ihm steht ein Tisch,
der mit Farbtöpfen, Tiegeln und
Flaschen angefüllt ist. Auch
einige bunte Tücher und ein Buch
liegen da. Ein wenig ermattet
durch die Wärme des sonnigen
Mittags legt Mathis sein Malgerät
beiseite und reinigt mit einem
Lappen die Pinsel)
Erster Auftritt
MATHIS
Sonniges Land. Mildes Drängen
Schon nahen Sommers. Das erregt
Und betäubt zugleich. Leicht erstehen
Pläne und Taten, fast wie in jungen
Jahren.
(Er reckt sich in der warmen
Sonne)
Wo sonst trübe Schatten hängen,
Ist ringsum alles Sein im Licht
bewegt.
Ist das nicht Frühling: Die Ahnungen
Des ewigen Keimens für die des wehen
Immersterbens zu erleben.
Wie soll
Ich, allem Wachsen eng verbunden,
Dem zarten Ruf zu Willen sein,
Wenn mir des Zweifels Pein
Tagtäglich aufreisst neue Wunden?
Hast du erfüllt, was Gott dir
auftrug?
Ist, dass du schaffst und bildest,
genug?
Bist nicht nur eignen Nutzens voll?
(Er setzt sich zum Blumenzaun)
Betrübe nicht mit grauer Grübelei
Den hellen Tag! Nimm demütig wahr,
Was eine Stunde Lichts darbietet.
Dies Jahr
Rann allzu schnell vorbei.
(as MittagsgIöckchen ertönt. Man
hört den Chor der
Antoniterbrüder)
CHOR
Rector potens, verax Deus,
qui temperas rerum vices,
Splendore mane illuminas,
et ignibus meridiem.
MATHIS
(betrachtet versonnen während des
Chores sein Bild)
Gesichte, die ich hier in Formen
bannte,
glühn sanft dem Sonnentag entgegen.
In leisem Zwiegespräch raunt es
Zitternd im Licht.
Bliebe doch ein Rest des
Blühens in mir, da ich zurück muss.
Die Zeit ist um.
CHOR
Extingue flammas litium,
aufer calorem noxium,
Confer salutem. corporum,
veramque pacem. cordium.
Praesta, Pater piissime,
Patrique compar Unice,
Cum Spiritu Paraclito,
regnans per omne saeculum.
Zweiter Auftritt
(Das Hoftor wird aufgerissen,
Schwalb stürzt herein,
abgehetzt und am Kopf verwundet.
Er pocht an die
Haustüre. Gleich nach ihm kommt
Regina)
SCHWALB
Aufmachen! Helft uns!
Seid ihr voll Mitleid,
Wie ihr vorgebt, bringt ein Stück
Brot.
(Er bricht auf der Schwelle
zusammen)
MATHIS
(geht auf ihn zu)
Was geschieht da?
REGINA
(hilft dem Vater)
Willst du noch weit?
Du verlierst zu viel Blut, lass uns
bleiben.
FäIlst in Ohnmacht. Dann schlagen sie
uns tot,
Wenn sie uns greifen.
(Brüder kommen aus dem Hause)
MATHIS
(bemüht sich um Schwalb und gibt
den
Brüdern Aufträge. Diese gehen ab
und zu
und bringen Verbandstoffe und
Speisen)
Bringt ein Tuch und Salbe. Schnell!
(zu Schwalb, der stehend isst)
Du, leg dich ein wenig nieder.
Lass dich pflegen.
SCHWALB
(reisst sich los)
Sie verfolgen mich, sie treiben
Uns vor sich her!
MATHIS
Alles ist ruhig.
Du erholst dich wieder.
SCHWALB
Sie dürfen mich nicht fangen!
MATHIS
Zeit ist genug.
Sie kommen nicht.
Her ist kein Verfolger mehr.
SCHWALB
Ach Frieden -
(Er fällt in Ohnmacht. Die Brüder
tragen
ihn auf eine Bank im Hintergrunde
und
beschäftigen sich mit ihm)
REGINA
(stürzt herbei)
Was ist ihm geschehen?
MATHIS
(führt sie nach vorn)Er braucht nur Ruhe, Iass ihn gehen.
REGINA
Es ist zu viel, die Plage zu gross.
(Drei Mönche treten mit einem
Brunnen mit
Wasser, Handtüchern und anderen
Gegenständen
ein, um dem Verwundeten zu helfen)
MATHIS
Woher Kommt ihr denn?
Was für Leute seid ihr?
Dein Kleid ist von Staub und Schmutz
schwer.
REGINA
Die Wärme, der lange Weg. Darf ich
mich
Am Brunnen ein wenig waschen?
MATHIS(ist ihr behilflich, holt ein Tuch
vom Zaun)
Willst du Nicht ruhen und essen?
Ich bringe dir ‑
REGINA
Lasst, jetzt nicht.
MATHIS
Denk nicht immerzu
An alles Leid. Vergiss.
REGINA
Ihr seid freundlich.
(singt matt vor sich hin, während
sie sich wäscht)
„Es wollt ein Maidlein waschen gehn
Bei einern kühlen Brunnen.
Ein weisses Hemdlein hatt' sie an
Wohl in der hellen Sonne.“
(Die Tränen kommen ihr)MATHIS(sie ablenkend)
Schön singst du!
REGINA(fasst sich wieder)
lhr solltet mich sonst hören!
Heut ist's nicht recht.
MATHIS
Versuch's noch einmal dann.
REGINA
Leise, damit wir den Vater nicht
stören.
„Es kam ein Reuter hergeritten
Zum Maidlein an den Brunnen.
,Willst du, mein Lieb, nicht mit mir
ziehn
Wohl in der hellen Sonne'?“
MATHIS
Siehst du, es hört sich schon besser
an.
REGINA
„Der Reuter gab ihr ein seiden Band
Bestickt mit Purpurrosen –„
Hätte ich jetzt auch ein Band hier,
Bände ich mir das Haar. lhr solltet
sehn,
Wie hübsch ich dann bin!
MATHIS
Schau, dafür Weiss ich dir guten Rat.
(Er nimmt ein buntes Band von
seinem Tisch)
Willst du dasTragen?
Meinst du, es wird dir gut stehn?
REGINA
So zart! So schön! Ist es wirklich
mein?
Niemand hat ein schöneres.
Dank' euch.
MATHIS
Das lass Nur sein.
Mich freut's, wenn es dich beglückt.
(Sie bindet das Band um und
betrachtet sich im Brunnenwasser)REGINA
Nun seht, bin ich nicht fein
geschmückt?
MATHIS
Oh! Viel schöner als des Königs Kind,
Das es zuerst trug.
REGINA
Habt ihr das Band
Vom Königskind selbst bekommen?
MATHIS(etwas verlegen)
Nein ‑
Nein ‑ ich bekam's ‑ ich fing's im
Wind ‑
Ein Schiff brachte es aus dem Land
Westindia. Dort soll das Paradies
sein.
Die Sonne scheint ewig. Niemals fällt
Das Laub vom Baum. Kein Winter plagt
Die braunen Menschen. Hast du je
Davon gehört?
REGINA
Niemand hat mir gesagt,
Dass es anderes gibt als das Feld,
Die Berge, den Wald,
die Flüsse, die ich seh'.
Ich weiss nur von einem Land, da ich
Kind war,
Als meine Mutter lebte. Das ich
Mit meinem Vater durchzog manches
Jahr;
In dem der Krieg fürchterlich
Wütet; durch das wir nun
Geschlagen ziehn. Können kaum ruhn;
Schmutz, Hunger, Elend und Wunden,
die sehn
Wir als treue Begleiter mit uns gehn.
(Schwalb ist bei den letzten
Sätzen erwacht. Er springt auf,
geht schnell auf Mathis und
Regina zu. Die Brüder gehen
ins Haus)SCHWALB
Was redest du da?
Geh ins Haus hinein.
Lass dir Essen geben.
(Regina geht ins Haus)Sie redet viel Wenn der Tag lang ist.
MATHIS
Du solltest doch Liegen bleiben.
SCHWALB(bleibt vor Mathis' Malerei
stehen)
Kümmre dich nicht. Ich fühl'
Mich gut. Die Schwäche ist vorüber.
(tut erstaunt)
Nein,Ist das möglich!
Man malt, das gibt es noch!
MATHIS
Ist es sündhaft?
SCHWALB
Vielleicht, wo so viel Hände
Gebraucht werden, die Welt zu
bessern.
MATHIS(lächelnd)
Wann brachten
Zerschlagene Köpfe je Besserung?
SCHWALB
Eher Als deine gemalten Heiligen.
MATHIS
Dich könnte
Ein Bild freilich nicht bekehren.
Wie machten Dir auch die Künste
Sorgen?
Sie leben näher
Bei Gott und gehorchen eignen
Gesetzen.
SCHWALB
Darum
Haben sie keinen Sinn für den
gemeinen Mann.
Die Welt ist im Aufruhr, der Bauer
geht um.
Ein jeder packt zu, wo er immer kann.
Denk an dein eigenes Blut.
Jeder Schlag,
Der den Bauern quält, trifft auch
dich.
Und Schläge setzt es genug.
In Fron dient er Tag
Und Nacht. Man stampft sein Feld
darnieder,
Sein Vieh nimmt man ihm,
mit Steuern und Zoll
Wird er gepresst, geplagt ist er
fürchterlich.
Recht hat nur der Reiche.
Den armen Hansen
Darf jeder schinden. Wenn er nur
immer wieder
Den Fürsten und Pfaffen den Ranzen
Stopft, bis obenhin voll.
Aber das ist vorbei. Der Bauer
begehrt auf,
Wirft das Joch ab.
Durch Schwaben sind wir gezogen,
Siegreich immer, bis uns der Feind
schlug.
Einmal nur. Unser Siegeslauf
Ist nicht gehemmt. Des Bauernheeres
Wogen
Erreichen Würzburg. Wir haben Leute
genug.
Doch Führer fehlen und Geld für den
Krieg.
Das Heer des Bundes naht. Ist ihm der
Sieg,
Ist der Bauer für alle Zeit
vernichtet.
Das Kümmert dich nicht.
Mag alles vergehn,
Du bleibst vor deinen Bildern stehn
Und malst, was niemand wissen will.
Hast du erfüllt, was Gott dir
auftrug?
Ist, dass du schaffst und bildest,
genug?
Bist nicht nur eignen Nutzens voll?
MATHIS
Was reissest du kaum vernarbte Wunden
auf?
Ich will Ja nichts andres als helfen.
Nimmt man Mit meiner Arbeit nicht
vorlieb?
Ich plage mich
Einsam, suche nach Gleichnis und
Lösung.
Was kann Ich noch tun?
In aller Not,
was soll ich?
Wo ist des Schaffens Boden,
wo Wachsen und Reifen?
BEIDE
Was an Taten in dir aufblühen soll,
Gedeiht an der Sonne Gottes allein,
Wenn deine saugenden Wurzeln tief
hinein
In den Urgrund deines
Volkes greifen.
Dritter Auftritt
(Regina stürzt aus dem Hause auf
Schwalb zu)REGINA
Staub am Himmel, Pferdetraben;
Vater, sie kommen herbei!
SCHWALB(zornig)
Zum Teufel! Wer verriet uns?
REGINA
Wir müssen weiter.
SCHWALB
Was denn! Sie holen uns sogleich ein
Und hauen uns nieder.
REGINA
Wie kommen wir frei?
SCHWALB(zu Mathis)
Schnell doch! Verbirg uns hier!
MATHIS
Die Reiter
Finden euch. Ihr müsst fort. Kommt
hier hinein.
(öffnet die Gartentür)
Nehmt mein Pferd.
Reitet schnell.
SCHWALB(drückt ihm die Hand)
Gott segne,
Was du uns und den Bauern tust.
MATHIS
Mehr tu ich!
So viel ich kann. Alles!
SCHWALB(im Abgehen)
Wann begegneIch dir wieder?
MATHIS
Bald, rechnet auf mich!
(Alle durch den Garten ab)Vierter Auftritt
(Pferdegetrappel. Sylvester von
Schaumberg
kommt mit einigen Reitern. Sie
sitzen vor dem
Tore ab, kommen schnell in den
Hof und pochen
an die Haustüre. Die Brüder
kommen heraus)SYLVESTER(zu den Mönchen)
Raus, Schwarzröcke, aus eurem
Geniste!
Bei euch hätte ich sicher nicht die
Fahrt
Nach Mainz unterbrochen, wüsste
Ich nicht von Leuten auf dem Felde,
dass hier
Der Schwalb auf der Flucht sich
verbirgt. Gespart
Hätte ich mir den Umweg. Wo habt ihr
Ihn aufgehoben? Gebt ihn heraus!
Die PestAuf euch, wenn ihr ihn
verbergt!
BRÜDER(ängstlich)
Wir verbanden
Ihn, pflegten ihn und sein Kind.
Wir wussten nicht,Wer er ist.
(Mathis kommt zurück)SYLVESTER
Durchsucht das Nest!
BRÜDER
Er ist nicht mehr hier.
SYLVESTER
Nicht vorhanden?
Ihr halft ihm zur Flucht.
Ein Standgericht Für Verräter!
Greift sie!
MATHIS(tritt vor)
Lasst sie gehen. Ich gab mein
Pferd Schwalb zur Flucht.
Sie wissen nichts.
SYLVESTER
Wer ist der?
MATHIS
Mathis, der Maler des Kardinals.
SYLVESTER
EinTreuer Untertan, der dem Feind
Zur Flucht verhilft! Was dein Herr
dazu meint,
Wird sich zeigen.
MATHIS
Verklagt mich bei ihm, er
Wird mich richten. lhr trefft mich in
Mainz. Dort
Bin ich in zwei Tagen.
SYLVESTER
Der Kardinal wird wissen,
Was Leuten deines Schlags gebührt.
Aufgesessen! Fort.
ZWEITES BILD
(Saal in der Martinsburg zu
Mainz. Vormittag. Erzbischof
Albrecht wird von einer Reise
zurückerwartet. Mainzer
Bürger mit ihren Frauen.
Geistliche, Studenten, Dienerschaft.
Eine Gruppe päpstlich gesinnter
Bürger auf der einen Seite
der Bühne, bei ihnen steht
Pommersfelden. Auf der anderen
Seite Lutheraner mit Capito. Die
Studenten in der Mitte, die
Frauen im Hintergrunde. Riedinger
bei den Lutherischen,
Ursula in seiner Nähe)Erster Auftritt
PÄPSTLICHE BÜRGER
Dem Volk stopft man die falschen
Lehren ins Maul. Es frisst Sie alle.
Wie könnte es anders im Lande
zugehen,
Wenn der Fürst sich selten zeigt!
POMMERSFELDEN
Befehle habe ich
Von Rom. Geduldet euch,
die Ketzerei wird gründlich
Ausgerottet.
LUTHERISCHE BÜRGER
Wie sie wühlen. Voll Hinterlist
Tuscheln sie, und niemand hat je
gesehen,
Dass sie sich offenem Kampfe
stellten.
CAPITO
Still doch!
Ihr verderbt euch alles.
Vertraut dem Kardinal,
Lasst die Zeit und kluge
Köpfe für euch arbeiten.
HUMANISTISCHE STUDENTEN
Jeder planscht im eignen Sumpf.
Sie sehen nicht, was hoch Über ihnen
geschieht.
(zu den Päpstlichen)
Das Licht macht den Eulen Qual,
Darum vertriebt ihr den Hutten aus
Mainz.
(zu den Lutherischen)
VerleitenWollt ihr den Fürsten, euch
beizustehn.
Nicht einemVon euch wird er helfen!
Dem freien GeistAntiker Weisheit wird
hier
ein reines Reich erstehen.
PÄPSTLICHE
Reinigt nur. Wir wissen, wo der Dreck
liegt.
LUTHERISCHE
Ja, keinem War das je so bekannt wie
euch.
STUDENTEN
Den Gegner schmeisst Nur in den
eignen
Schmutz, so gleicht sich's aus.
PÄPSTLICHE
GehenHeut die Bittel aller
Sorten frei herum?
LUTHERISCHE
Da manEuch doch verwahren sollte!
STUDENTEN
Mit scharfen Waffen bekriegt Man
sich.
Hier Motten, dort verstaubte Kittel.
Wer kann Da abseits bleiben?
(Handgemenge)
CAPITO(will beruhigen)
Das Übermass von Unverstand!
EINIGE FRAUEN
Mit Kamm und Bürste hat man
euch mühsam zurechtgemacht.
Wie richtet ihr euch zu!
ANDERE FRAUEN
Man könnte sich schämen
Für das Mannsvolk. Stets muss es
streiten.
Ein Zustand, Den Kardinal zu
empfangen!
PÄPSTLICHE
Dem Leib eine Tracht
Prügel, dem Geist die Verachtung
aller Frommen.
Dann haben sie, was sie so gerne
nähmen:
Die Gnade in beiderlei Gestalt.
POMMERSFELDEN(ringt die Hände)
Eine SchIägerei Zum Empfang des
Fürsten.
LUTHERISCHE(in höchstem Zorn)
Schickt, was ihr bekommenHabt,
getrost nach Rom.
Den Heiligen Vater freut
Gewiss der Peterspfennig.
STUDENTEN(ebenso)
Es erweist Sich, dass der alten
Zeiten
Heldengeist Den Kleinsinn
und die Unvernunft auch heut Besiegt.
CAPITO
Unser Herr, der Kardinal!
Den Weg frei!
Zweitter Auftritt
(Kardinal Albrecht mit Gefolge.
Vor ihm her wird eine
mit Brokattüchern bedeckte Lade
getragen. Als er die
gerade noch auseinanderstiebenden
Männer bemerkt,
lächelt er fast unmerklich)ALBRECHT
Nach dem Lärm vieler Orte, dem
Zetern, Streiten
Empfängt mich in meinem lieben
Mainz die Eintracht
Friedlicher Bürger. Dass ihr hier
versammelt seid,
Freut mich. Meine Liebe wird euch
begleiten.
(segnet sie)
ALLE(verneigen sich)
Die Stadt begrüsst in Ehrfurcht ihren
Herrn
nach langer Zeit.
ALBRECHT
Kann ich nicht immer bei euch sein,
bin ich doch bedacht,
Den Ruhm der Stadt zu mehren.
Hier soll versammelt sein,
Was an Werk und Wort Edles der
Menschengeist
Hervorbringt. Ein deutsches Rom am
Rhein.
Nehmt dies Geschenk als Zeugen
für mein Wort hin.Kniet nieder.
(alle tun es)
Es ist der Leib des heiligen Martin,
Des Schützers unseres Doms.
LUTHERISCHE(beiseite)
Jeder hat zumeist Nur einen Leib.
Bei diesem weiss man von drei
Leichen.
CAPITO(ebenso)
Wenn uns nichts sonst jetzt als
ein toter Heiliger fehlt!
PÄPSTLICHE(ebenso)
Dem anderen Martin
ein Warnungszeichen.
POMMERSFELDEN(ebenso)
Niemand ehrt Heilige wie ich.
Wer aber bringt das Geld Auf, sie zu
zahlen?
ALBRECHT
Mich soll er mahnen, zu teilen
Gück und Kummer mit meinem Land.
Euch seiEr Vorbild in der Kraft des
Glaubens,
in der Verfolgung Hoher Ziele.
POMMERSFELDEN
... zu vernichten die Ketzerei.
LUTHERISCHE
... Luthern zu stützen.
PÄPSTLICHE
... die Wunden der Kirche zu heilen
STUDENTEN
... Ein Reich der Vernunft zu
erstreben.
ALBRECHT
Im Dome sei Das Heiligtum zur Schau
gestellt.
Wer ihm Verehrung Zollt, sei von der
Strafe
für viele Sünden frei.
(Die Reliquie wird
hinausgetragen, langsam leert
sich der Saal. Einige bevorzugte
Bürger werden
von Albrecht besonders begrüsst
und gehen
dann auch. Schliesslich bleiben
ausser Capito
und Pommersfelden nur noch
Riedinger und
Ursula zurück. Albrecht geht
erfreut auf sie zu)Dritter Auftritt
ALBRECHT
Man fühlt den Segen,
der auf eurem Lande ruht.
So frohIst man nicht überall.
(gibt Ursula die Hände)
Und in dir, Ursula, stelltSich sein
Wesen dar:
Klugheit und Anmut vereint.
URSULA
Das unverdiente Lob verwirrt mich so
Dass mir
mein Sprüchlein zum Willkommm
entfällt.
ALBRECHT(scherzend)
Erfinde drum, da du in aller Kunst
erfahren
Bist, ein neues.
URSULA
Mein karges Wissen sagt, was jeder
meint:
Alleinsein schmerzt.
(Mathis kommt, verneigt sich,
Ursula bemerkt ihn zuerst)
Ein Jahr lang waren Wir getrennt von
allem,
was wir lieben.
ALBRECHT(hat Mathis bemerkt, empfängt ihn
freudig und führt ihn zu den
übrigen)
Gewinnst Du auch mein Herz,
gib einem WürdigerenWas er verdient.
Sieh, Mathis tritt zur Arbeit
pünktlich An.
Ein Jahr der Ruhe gab ich ihm und
weiss,
Was Ruhe bei ihm heisst:
Er schafft an seinem Werke,
Da ihn nichts andres hindert,
mit doppeltem Fleiss,Wo ich der Kunst
nur
mühsam. schmalen Dienst Erweise.
(geht mit Riedinger auf die andere
Seite der Bühne)
Was unternähme ich nicht,
sie zu ehren!
Die Mittel hierzu fand ich stets,
(bedauernd)
Doch jetzt ist's weidlich Schwer,
neue zu finden.
RIEDINGER
Benutzt des Bürgers Stärke,
Wo ihr schwach seid.
Ich helfe gern aus jeder Not Mit
meiner Habe.
ALBRECHT
Ein willkommnes Angebot.
(Mathis steht bei Ursula.
Sie ist verwirrt. Er ergreift
ihre Hand)MATHIS
Empfängst du jeden Ankömmling
mit gleicher Herzlichkeit?
URSULA
Ich bin ihm dankbar.
Kehrte er nicht heim, kämst du
Ein Leben lang wohl nicht zurück.
MATHIS
Da ich nach stetem
Irren zwischen Ziel und Zweck das
unbegrenzte
Fliessen Von mir zu dir erneut
begreife, ist mir,
als ob seit Gestern nur die Trennung
war.
Mit jedem Atemzuge kommst du näher.
URSULA
Du bist zuplötzlich nah, vertraut und
doch
so fremd für diesen Augenblick.
MATHIS
Bei dir allein, dann kam ich wirklich
an.
URSULA
Wer ist's, der dann erscheint, ein
alter Freund,
ein neue Mann?
MATHIS
Ein neuer Freund.
ALBRECHT(zugleich mit Mathis und Ursula)
So grosse Teilnahme bei meinen
Freunden
erhebt mich.
Mit allen meinen Kräften soll Sie
belohnt sein.
RIEDINGER
Dürfen wir sagen, was uns bedrängt?
Voll Entrüstung vernimmt der Bürger:
Einen Scheiterhaufen soll er
errichten.
Eine Stadt, die Allezeit durch freies
Denken sich hervortat,
Soll Bücher verbrennen!
Man nennt sie ketzerisch, doch sie
Sind voll
Gottesfurcht, wie irgendeine fromme
Schrift.
ALBRECHT(aufgebracht)
Man Wagt es!
Wer befiehlt das?
POMMERSFELDEN
Der römische Legat.
ALBRECHT(bestimmt)
Es unterbleibt.
RIEDINGER
Entschieden alle Fürsten so,
vom Zwiespalt wären wir bald frei.
Nehmt unsern
tiefsten Dank.
(Albrecht entlässt Riedinger und
Ursula.
Capita, Pommersfelden und Mathis
bleiben)Vierter Auftritt
POMMERSFELDEN(eindringlich zu Albrecht)
RomVerzieh oft, was ihr euch
an Freiheit nahmt.
Es kannDen Ungehorsam niemals dulden.
Die Bücher müssen Brennen.
ALBRECHT
Ich kann mich nicht gegen den Geist
vergehen.
POMMERSFELDEN
EinGeist nur ist: der des Gehorsams.
Ein Priester, der sich
Widersetzt, muss fallen.
ALBRECHT(verärgert)
Dann wider Willen und Wissen:
Verbrennt die Bücher.
(Pommersfelden reicht ihm ein
Dekret zur
Unterschrift. Albrecht
unterzeichnet und wendet
sich dann zu Mathis)
Erfreulicheres lass Uns verhandeln.
Für das neue Heiligtum wird ein
Schrein
Erstehen. Du nimmst alles, was an
Stoffen
herrlichUnd kostbar ist.
Erfinde Unirdisches, dass
Die Seele des Andächtigen nicht
weiss,
Ob ihr Erhebung auf des Heiligen
Geheiss,
Ob durch dein gnadenvolles Werk
geschah.
POMMERSFELDEN
Das Kapitel ist gegen den Maler da.
Einen kranken Bettelmann stellt er
uns als Heiland Hin.
Für uns ist ein Heiliger kein Bauer.
Und die Gottesmutter
war keine Weisenauer Kuhmagd.
ALBRECHT(begütigend)
Seid nicht so streng, mein lieber
Dechant.
Der hochgelehrte Capito
beweist euch klar:
Sie war keine Mainzer Bürgertochter.
CAPITO
Gar Manches sonst vielleicht. Wenn
wir den
Bücherstoss Verbrennen, wird sich der
Mainzer
Bürger weigern, Geld Zu leihen.
Wer malt uns dann Altäre?
ALBRECHT
Mir fällt Nicht mehr ein Taler aus
der Tasche. Wie
grossIst die Summe, die mir das
Kapitel gibt?
POMMERSFELDEN(wehrt ab)
Zölle,Wein und Roggen
sind auf Jahre verpfändet.
Ich kann nicht Einmal Gernsheim
auslösen.
ALBRECHT
Nehmt für Höchst Geld auf.
POMMERSFELDEN
Geschah schon.
ALBRECHT
Ein neuer Ablass.
POMMERSFELDEN
Diese Quelle
Hat uns Wittenberg abgedämmt.
ALBRECHT(ungeduldig)
Setzt den Zins hinauf,Gebt schlechtes
Geld aus, verringert Mass und
Gewicht.
CAPITO. POMMERSFELDEN
Das bedeutet Aufstand und Krieg.
ALBRECHT(ärgerlich zu Capito)
So überredeDen Riedinger.
Ich erfülle ihm jedeForderung.
Locke, zwinge ihn, fange ihn ein.
Es muss doch irgendwo noch
Geld zu haben sein!
Fünfter Auftritt
(Sylvester von Schaumberg kommt
eilig)
ALBRECHT
Was gibt's?
SYLVESTER(begrüsst den Kardinal und
übergibt
eine Rolle, die Albrecht öffnet)
Eine Botschaft des Truchsess von
Waldburg.
ALBRECHT(liest flüchtig und gibt die Rolle
an Pommersfelden weiter)
Ich soll sechshundert Reiter stellen
und mit Geld den Kampf gegen
die Bauern unterstützen.
SYLVESTER(gewahrt Mathis)
Als ich durch
Das Land ritt, traf ich einen Mainzer
Mann,
Der gab sein Pferd dem Bauernführer
Schwalb zur Flucht.
Den Feind, den man seit langem sucht,
Entzieht er der verdienten Strafe.
(zeigt auf Mathis)
HierSteht er.
(Albrecht verwundert)
POMMERSFELDEN(entrüstet)
Unglaublich! Wachen herbei!
(Soldaten kommen)
ALBRECHT(zu Mathis)
Was er erzähIt, stimmt es?
MATHIS
Ja.
ALBRECHT
Keiner rührt ihn an.
Mathis, her zu mir.
Sag, warum du das tatst?
MATHIS
So grosse Not kannUns nur auf der
Seite
der Bedrängten sehn.
MeinFürst gebe kein Beispiel der
Unmenschlichkeit.Helfe nicht den
Peinigern,
breche nicht des Volkes Kern.
(fleht knieend)
Schickt keine Truppen,
gebt den Bauern Freiheit.
Begeht nicht, was euch schuldig
macht.
Kein Geld den Herrn,
Und ich will euch dienen
und tun, was ihr wollt, all meinLeben
lang.
POMMERSFELDEN
Ein Verbrecher, den Tod verdient er.
ALBRECHT(wehrt Pommersfelden, ruhig zu
Mathis)
VieleDenken ebenso.
Liesse mir mein Amt freie Wahl wie
dir
Das deine, verfolgte ich oft bessere
Ziele.
POMMERSFELDEN(empört)
Uns binden Verträge!
ALBRECHT(entschieden)
Bindet mich, zwingt michMit Ziffern
und Schrift.
In der Kunst entscheide ich frei.
(zu Pommersfelden)
Tut ihr, was die Verträge von uns
fordern.
(zu Mathis)
MirMissfällt es, sehe ich dich fremde
Händel treiben.
Verrichte, was dir aufgetragen!
Wir alle bleibenHaften in unseren
Grenzen.
MATHIS(verzweifelt)
Meiner Brüder Angstschre
Lähmt mir die Hand,
mit rotem Blut bedecken sich
Die Tafeln. Hängt mich, foltert mich!
Nie mehr einen Strich!
ALBRECHT(stark)
So zwingt dich dein Fürst: An deine
Arbeit!
MATHIS(schreit auf)
Niemand zwingt mich!
Meinen Abschied will ich!
POMMERSFELDEN
Ein verrückt gewordener Untertan.
CAPITO
Kann er denn nieMass halten!
ALBRECHT(gibt es auf)
Starrsinn für Liebe.
Wer will ihm wehren
Das Bessere zu suchen?
Ist seine Hoffnung stark, dieUnrast,
die ihn treibt, beschert ihm Not und
Leid.
SYLVESTER
Warum gibt er ihm nicht noch seinen
Segen?
Was man erzählt, ist richtig:
Am Mainzer Hof geht'sMerkwürdig zu.
CAPITO
Beide sind nicht zu belehren.
Ist einer reich begabt,
verschwendet er den Reichtum stets.
MATHIS
Nur nichts mehr sehen von allem hier.
Auf Wegen,Licht und weit,
ein Emporsteigen aus matter
Dumpfheit.
POMMERSFELDEN
Was gilt ein Fürst?
Was gilt die Kirche?
Krank ist die Zeit.
(rasend)
Jetzt ist's genug. Schafft ihn fort.
(Die Wachen wollen Mathis
greifen)ALBRECHT
Keinen Schritt.
Wollt ihr ihn richten, lernt ihn
verstehen.
Will er zum Teufel gehen,
Lasst ihn, wenn es ihn dahin zieht.
Er weist auf die Türe. Alle
ausser ihm and Mathis gehen
ab. Mathis küsst Albrecht
schüchtern den Ring. Albrecht
geht langsam in den Hintergrund
and öffnet ein grosses
Fenster. Man sieht draussen in
hellem Sonnenlichte den
Rhein. Albrecht vergisst im
Anblick der Landschaft ruhig
lächeind das Vorgefallene. Mathis
nähert sich ihm zögernd,
will noch etwas sagen. Ohne ihn
anzusehen, weist ihn Albrecht
gemessen und bestimmt zurück.
Mathis geht gesenkten Kopfes)
DRITTES BILD
(Haus Riedingers am Marktplatz in
Mainz. Eine nach
rückwärts offene Halle; man sieht
das lebhafte Treiben
auf dem Platze. Die
Vorbereitungen zur Bücherverbrennung
werden getroffen. Es ist
Spätnachmittag. In der Halle steht
Riedinger und begrüsst seine
Glaubensgenossen, die in
kleinen Trupps ankommen und unter
ihren Mänteln
verborgen Bücher aller Art
tragen)Erster Auftritt
LUTHERISCHE BÜRGER, STUDENTEN
In dieser Arche wird unsre Habe
Die Sintflut überstehen.
In Noahs Kahn
Erwarten wir getrost das Ölblatt.
RIEDINGER(weist ihnen ein hinter einem
Vorhang
verborgenes Büchergestell an)
Vorsicht, Freunde!
Verbergt gut eure Gabe.
Das Versprechen, mein Haus zu
schonen, kann
Uns nicht hindern, vorsichtig zu
sein.
BÜRGER, STUDENTEN(verbergen die Bücher)
Eine neue Heimstatt
Schützt euch vor allzu grosser Wärme.
EINIGE
SchlaftAus.
ANDERE
Wenn ihr das Feuer knistern hört,
bedenkt,
Dass nach dem Tode eurer Brüder ihr
Berufen seid, eine stolze Herrschaft
Neu zu errichten.
DRITTE
Wartet hier,
Bis Gott euch frohe Auferstehung
schenkt.
(Landsknechte des Kapitels kommen
mit
Körben und Säcken, um Bücher zu
holen)RIEDINGER
Ihr wisst, dass ihr hier nichts
finden könnt.
Was wollt ihr also?
BÜRGER, STUDENTEN
Sie sollen nicht vergeblichGekommen
sein.
(geben den Landsknechten
irgendwelche
Bücher aus einem Schrank)EINIGE
Ein arges Teufelsbuch:
»Eulenspiegel«.
ANDERE
Für euch das «Narrenschiff».
DRITTE
Verbrennt«Die Schelmenzunft».
Das Feuer wird vor Freude
sichVerdoppeln.
ALLE
Habt ihr noch nicht genug?
(Capito kommt schnell)CAPITO
Sind euch im Dienste Roms die
Wühlrüssel Nicht gewachsen?
(Geht auf das Versteck zu, zieht
den Vorhang zurück
und weist auf die Bücher.
Zorniges Erstaunen bei den
Lutherischen)
Hier sucht, was zu verbrennen ist.
Packt dies alles ein.
(Die Landsknechte werfen die
Bücher in ihre Kiste)RIEDINGER(mit unterdrücktem Zorn)
So hält ein Fürst Versprechen!
Und ihr?
CAPITO(achselzuckend zu Riedinger)
Jeder dient nach seiner Art.
Den Schlüssel
Zu Gottes Wohlgefallen, wer kennt
ihn?
(zu den Landsknechten)
Das istAlles, fort mit euch.
(Landsknechte ab)
RIEDINGER(aufgebracht)
Ein Verbrechen
Gegen Luther, gegen deutsche
Glaubenskraft.
ALLE
Wer hiess uns,
der Hinterlist und dem Verrat Zu
trauen?
CAPITO
Seid nicht töricht.
Was man auch
wegrafft
An Büchern, ihr wisst, dass das Wort
nicht verwest.
(zieht einen Brief hervor,
geheimnisvoll)
Dies wiegt mehr,
als was man euch genommen hat.
(alle neugierig um ihn)
Gelobt Schweigen!
(sie tun's)
Ein Brief Luthers an den Kardinal.
Lest!
(Erregung. Alle lesen flüsternd
den Brief)RIEDINGER
„Es ist meine Meinung,
dass sich eure kurfürstliche Gnaden
in den ehelichen Stand begeben und
das Bistum
zu einemweltlichen Fürstentum
machen und den falschen Namen
undSchein des geistlichen Standes
fallen und fahren lassen.“
EINIGE
„Erstens, damit so der Strafe Gottes
zuvorgekommen und dem
Satan die Gründe der Empörung
genommen werden.“
ANDERE
„Zweitens ist jetzt auch der gemeine
Mann so weit unter-
richtet und zu Verstand gekommen,
dass er weiss, wie der
geistliche Stand nichts ist.“
DRITTE
„Was will man dann wider den Strom
fechten und etwas halten,
was nicht gehalten sein will und
kann?“
RIEDINGER, CAPITO
„Ein Vorbild wäre kurfürstliche
Gnaden,
weil sie gleichsammitten
in deutschen Landen eines der
grössten
Häupterist. Das würde viele Leute
beruhigen und gewinnen
undandere Bischöfe nachziehen.“
EINIGE
„Heraus aus dem lästerlichen und
unchristlichen
Stande inden seligen und göttlichen
Stand der Ehe hinein!“
ANDERE
„Es ist Gottes Werk und Wille,
dass ein Mann ein Weibhaben soll.“
DRITTE
„Es ist hohe Zeit, ehe man die
Gelegenheit
versäumt und später
nicht mehr dazu kommen kann.“
ALLE(ausser Capito der den Brief
wieder einsteckt)
Das ist hohes Spiel. Hier ändert man
die Welt.
EINIGE
Der stärkste Kirchenfürst in
Deutschland.
ANDERE
Ein Schritt von ungeheuren Folgen.
DRITTE
Er hältDas Geschick des Reiches in
der Hand.
ALLE
Der Sieg des neuen Glaubens.
RIEDINGER
Uns kannNichts gelegener kommen.
Was aber bestimmtIhn, zu heiraten?
CAPITO
Er ist Neuerungen
Zugetan, möchte bessern,
Vorbild sein.
Frauen sieht er nicht allzu ungern
an.
Am meisten drängt ilm Geldnot. Er
nimmt
Nichts mehr ein, niemand leiht. Er
ist gezwungen,
Neue Quellen aufzutun. Geht er die
Ehe ein
Mit einer reichen Frau, ist er aller
Schulden
Frei und lebt der Kunst.
Das ist's, wonach et strebt.
RIEDINGER
Da wird er sich noch lange Zeit
gedulden
Müssen. Ich kenne keinen Fürsten,
dessen Kind
Mit grosser Mitgift rechnen kann.
CAPITO
Es klebtKein Schmutz an bürgerlichem
Geld.
Und eine reicheFrau,
vielleicht gar eine Lutherische,
zwingt ihn,
fürEuch sich zu entscheiden.
ALLE(ausser Capito)
Eine ungleiche
Ehe geht er nicht ein.
Ihn hindern EitelkeitUnd Adelsstolz.
CAPITO
Ich kenne ihn. Er wird sich
gernErgeben,
(Die Tür geht auf, Ursula kommt
und
bleibt an der Tür stehen, als sie
die
Männer sieht. Capito verneigt
sich vor ihr)
stellt ihr die rechte Frau bereit.
(ab)
Zweiter Auftritt
BÜRGER, STUDENTEN(leise)
Man könnte päpstlich werden
und an Zeichen glauben.
URSULA(tritt näher)
IhrStutzt.
Verhandelt ihr Wichtiges?
RIEDINGER
Auch dichBetrifft es.
URSULA
Lasst. Für eure Geschäfte tauge
ichSchlecht.
RIEDINGER
Oft findet eine Frau die Spur,
Wo Männer blind sind. Unsrer Sache
könntest du
Unendlich viel helfen.
URSULA
Glaubst du, dass ich dazuFähig bin?
RIEDINGER
Wenn du den Willen hast.
URSULA
Sprich nur.
RIEDINGER
Willst du für unsern Glauben alles
tun?
URSULA
Ja.
RIEDINGER
Bürden auf dich nehmen?
URSULA
Auch das.
RIEDINGER
Dich opfem?
(Ursula nickt)
Wenn des Luthertums Zukunft und damit
Des Reiches Wohl fordert, dass du
einen Mann
Nimmst, den wir dir geben, Ursula?
URSULA(äusserst betroffen und verwirrt)
Wie meinst du?
RIEDINGER
Wundert dich das? Was sagst du mir?
(Pause)
Entschliesse dich zu diesem Schritt,
Er entscheidet über Schicksale, denke
daran.
Lasst sie allein.
ALLE MÄNNER
Das Feuer, das so heikel ist,
Dass es nur lutherische Bücher
frisst,
Wird jetzt mit unsrer Habe angefacht.
Die Bücher, die oft Leid
verscheuchten,
Leiden nun selbst, zum Tod gebracht.
Auch sterbend werden sie uns noch
erleuchten.
(Riedinger und alle anderen
Männer gehen auf den Markt)Dritter Auftritt
URSULA
Was bin ich anderes in dieser
Männerwelt
Als Werkzeug oder Spielball?
Ich soll michOpfern dem Glauben,
muss ohne Fühlen mich ergeben.
WillEin Gebot, dass auch der letzte
Rest
des eignen Willens fällt,Dass
Kriegslust
und Kampfeifer mehr
als den MannMich erfüllen,
wo nur aus tiefstem GefühlDas
Weibliche,
das in mir lebt, handeln kann?
(Es ist dämmrig geworden. Auf dem
Markt hat sich eine
Volksmenge angesammelt, die die
Zurüstungen der
Verbrennung mit allerlei Spässen
begleitet. Man hat die
herangeschafften Bücher zu einem
grossen Haufen
auf geschichtet und zündet ihn
nun an. Im Verlauf des
folgenden Duetts wächst das Feuer
fortwährend an, auch
die Erregung der Zuschauer
steigert sich. Es wird Nacht.
Mathis kommt. Ursula geht ihm
stürmisch entgegen)URSULA
Endlich kommst du, du befreist mich.
Nichts ist Mehr schwer.
Mir ist wohl, wenn du da bist.
MATHIS(umarmt sie)
Als ich ging, warst du voll
Sicherheit.
Woran Leidest du?
URSULA
Dies Jahr, das dir in Arbeit zerrann,
War mir hundertfach lang
ohne Freund, LehrerUnd Rat.
Man lebte, stritt, kämpfte. Doch mich
Traf kaum das letzte Rauschen fernen
Sturms.
MATHIS
SchwererDrückt mich deine
Freundschaft,
als HassEs könnte.
URSULA
Wir sind im innersten Grund
Verbunden, da du mich zu dir zogst
und
Mir mehr fast als dir selbst
offenbartest. Ich
In der Fülle sehe kaum der andern
Armut.
Nimm mich zu dir!
MATHIS
Betöre nicht mit deinem Mut
Den allzu bereiten Glauben. Was
wünschte ich
sehnender,Als dich allezeit zu
besitzen, in dir
quälenderFragen gnädige Lösung zu
finden.
DochWas soll dir ein greiser Mann?
Alter kann
Mit Jugend nicht zusammengehn in
einem Joch.
URSULA
Das sagt, der mich lehrte,
den Geist zu erkennen!
MATHIS
Der Geist ist krank in mir,
von Zweifeln gequält,
Von Missmut fast erdrückt.
URSULA(steigernd)
Es ist kein Mann
Ausser dir. Als du fortzogst, gab ich
ein Band
Dir auf die Reise mit.
(Mathis betroffen)
Nichts soll uns trennen,
Solange es bei dir ruht.
Bin ich zum Weib erwähIt
Oder zur Magd: Erhebe mich, gib
meinem Leben
Sinn. Ich will fort mit dir!
MATHIS
In dunkles Land Führt mich mein Weg.
Ich darf mich nicht weigern, hinein
Zu schreiten, darf mich nicht dem
Glück ergeben
An deiner Seite, da nur Kummer und
Pein
Die Welt beherrscht.
URSULA
Lehrtest du mich nicht,
Dass Gott in einer Linie Brechung, im
Licht
Einer Farbe sich tiefer offenbaren
kann
Als in Lust und Leid der Welt?
MATHIS(ausbrechend)
Ich kann nicht mehrMalen.
Der Menschen Jammer lähmt mir Arm und
Sinn.
Unrecht, Armut, Krankheit, Martern,
soll ich daran Mitschuldig sein,
wenn ich zu lässig bin Zur Hilfe?
Mein Blut und Leben eine Wehr
Der Qual! Ich muss ins Elend fahren.
URSULA
WasWillst du tun?
MATHIS
In den Krieg ziehe ich. Die Antwort
Auf alle Rätsel:
Wem gilt deine
Arbeit?
Wozu trägt dich die Erde?
URSULA(in Begeisterung)
Bei dir ist mein Ort.
Zögst du gegen Hölle und Tod, lass
Mich dir beistehn!
LUTHERISCHE(auf dem Markt)
Gar bald wird niederfallen
Mammon, der euer Abgott
Und euch Gottlosen allen
Zu Schanden und zu Spott.
Ihm ist durch Luthers Lehre
Genommen all sein Macht.
Wollt Ihr euch nicht bekehren,
Ihr werdet mit ihm verjagt.
MATHIS(eindringlich)
Mit der roten GlutEines Alternden
liebe ich dich. BereitFinden sie
mich,
das Schwerste zu tragen.
Mit mir Darfst du nicht gehn.
Ich muss dich lassen.
URSULA(ungeduldig und verzweifelt)
Mathis, du nimmst mir das Leben!
MATHIS
Du sollst mit Mut
Auch dein eigenes Schicksal erkennen.
URSULA
Das mich zu dir Zwingt.
MATHIS
Suche den eigenen Weg. Erfassen
Musst du, was sich dir verbirgt.
Dir kann keiner geben,Was dich
leitet,
da alle irren.
Allein nur findest du.
PÄPSTLICHE(auf dem Markt)
Schau, was ist Guts erstanden
Aus Luthers berühmter Lehr!
All Bosheit ist vorhanden,
Nimmt zu je länger je mehr.
Der Glaub schwebt auf der Zungen,
Die Lieb ist worden kalt.
Wie du das Lied gesungen,
So tanzen jung und alt.
URSULA
DamitIch dich verliere!
MATHIS
Sind wir dem Tod bestimmt,
Eint uns das Paradies.
Ist uns das Leben, schenktDie Zeit
ein reines,
weises Wiedersehn.
URSULA
Was dein Denken tötend in mich
presst,
niemals nimmtMein Fühlen es an.
Blind trägt mich der SchrittDurch
Glut
und Eis deiner Vernunft.
Nichts denktIn mir.
Eines nur weiss ich: nie vergehn
Wird mein Sehnen, immer liebe ich
dich.
BEIDE
Vertrautheit, die mich beglückte
‑ die Liebe, die michStärkte –
die Einheit, In der wir lebten,
stirbt dem Leid.
(Lange Umarmung. Draussen hat das
Feuer und die
Erregung des Volkes den Höhepunkt
erreicht. Mathis
stürzt ab, Ursula sinkt gebrochen
auf einen Stuhl. Das
Feuer erlischt schnell. Riedinger
kommt mit den
Lutheranern zurück)Vierter Auftritt
RIEDINGER(erregt)
Unsre Schande leuchtete
in des Feuers Schein.
(tritt näher zu Ursula)
Ist an seinem Brand
dein Entschluss nicht Gereift?
Du kannst so ruhig sein?
URSULA(gefühllos)
Der Brand erlosch. Mein Los im
letzten Licht:
Wo sich ein Fussbreit Boden zeigt,
ergib
Dich ihm, dein Ende zu erdienen.
(Diener bringen Wein)
RIEDINGER(verwundert und dann erfreut)
Freunde, was uns blieb:
Des Widerstandes Stahl härtet sich
Im Feuer, in Flammen glüht die neue
Zeit.
Aus unsrer Bücher Asche wird verjüngt
Kraft
Und Sinn des Wortes erstehen.
In Torheit
Lasst die Narren toben.
Steht fest zu Luthers Werk,
Vertraut auf seinen Sieg!
Vernunft nd Einsicht schafft
Die Bahn, von der Bekehrten Licht
erhellt.
(Man stösst an. Ursula hält in
stummer
Verzweiflung ein Glas, ohne zu
trinken)ALLE MÄNNER
Lobt Gott, ihr frommen Christen.
Freut euch und jubiliert
Mit David dem Psalmisten,
Der vor der Arch hofiert.
Die Harfen hört man klingen
In deutscher Nation,
Darum viel Christen dringen
Zum Evangelion.
VIERTES BILD
(Königshofen. Spätnachmittag im
Juni. Ein kleiner Platz
mit beschädigten Häusern. Links
eine kleine Gastwirtschaft
mit Tischen und Bänken vor dem
Haus. Die Fensterscheiben
sind eingeschlagen, die Läden
hängen halb abgerissen herunter.
Rechts eine offene Kapelle mit
Marienbild und ewiger Lampe.
Die Stadt ist verwahrlost und
ziemlich zerstört. Die Bürger sind
geflohen, die Bauern haben den
Ort besetzt. Vor der Wirtschaft
sitzt essend und zechend eine
Gruppe Bauern. Der Haupttrupp
in der Mitte der Bühne führt den
Grafen Helfenstein, dem die
Arme auf dem Rücken gebunden
sind. Augen und Mund sind
ihm mit einem Tuch verbunden, er
wird durch Tritte und
Schläge vorwärts gestossen. Eine
dritte Bauerngruppe hält die
sich verzweifelt wehrende Gräfin
fest. Gelächter und Geschrei
der Bauern)
Erster Aufttritt
BAUERN
Du hast uns lange getreten,
jetzt treten wirDich in den Dreck.
Was wir an Schlägen litten,
Das leidest du. Grausam warst du, du
stirbst
An Grausamkeit.
GRÄFIN
Seid ihr noch Menschen?
BAUERN
Zum TierHat er uns gemacht.
GRÄFIN
Nehmt ihn mir nicht, lasst euch
bitten.
Verlangt, was ihr wollt, für ihn.
BAUERN
Du erwirbst
Ihn nicht zurück um zwei Tonnen Gold.
GRÄFIN
Lasst ihn doch ein letztes Wort
sprechen mit mir.
BAUERN
Im Leben hat er das Maul gross
aufgerissen,
Drum eile er sich, im Himmel zu
flehen
Für uns.
ANDERE BAUERN
Wird er vom Satan in den Pfuhl
geschmissen,
Mag er nach seiner Weise kreischen.
Bei uns holt
Er sich schweigend seinen Lohn.
PFEIFER des Grafen(tritt ihn)
Oft musste ich stehen
Bei dir und zu Tanz und Tafel
pfeifen.
BrechenDeine Augen,
soll mein Spielen ins Verderben
Dich begleiten. Kommt zum Tanz.
(Er nimmt seine Fiedel und
spielt.
Der Zug mit dem Grafen folgt ihm)GRÄFIN(schreit verzweifelt)
Mann, mein Lieber!
Roheit trennt uns. Voll Angst muss
ich dich einsam sterbenLassen.
Habt doch Mitleid mit mir. Nehmt ein
Messer,
Quält mich ins Jenseits hinüber,
Nur lasst mich das nicht mit ansehen.
(Die Bauern, die sie festhalten,
lachen.
Die vor der Wirtschaft schreien
herüber)BAUERN
Schluss des Gejammers.
(Die Gräfin sinkt zusammen,
wird aber wieder hochgerissen)
Du bedienst die Fresser
Und Säufer, Schwester Gräfin. Komm
her zu uns.
(Die Gräfin wird hinübergeführt)GRÄFIN
Bis ihr auch mich erschlagt,
so lang will ich euch schmähen.
BAUERN
(scherzen)So wächst zum Herrn
der arme Kunz.
(Einige Bauern drängen und
schieben die sich wehrende
Gräfin. Man gibt ihr Schüsseln
und Kannen und zwingt sie,
die Zechenden zu bedienen)BAUERN(während des Zechens)
Wer hat dich geschlagen,
Du armes Bauernpack?
Zins musst du zahlen, Lasten tragen,
Musst dich mit Weib, Vieh, Kindern
plagen
Für deinen Herrn.
Wieviel du schaffst, was du
vollbringst,
Es endet all in seinem Sack.
GRÄFIN
Da schlemmt, ihr Elenden.
Das vergossne BlutVergifte eure
Speise.
Was ihr zu euch nehmt,
Töte euch in Schmerzen. Des Weines
Flut
Ertränke euch, die ihr in euch
schwemmt.
(die Bauern lachen)
BAUERN
Doch jetzt kannst du prassen
Ganz wie es dir gefällt.
Du kannst die Reichen dienen lassen,
Kannst fressen, saufen, Weiber
fassen.
Als deinen Herrn
Sieh keinen an. Dein ist die Welt.
Zweitter Auftritt
(Die anderen Bauern kommen von
der Hinrichtung
des Grafen zurück. Mathis kommt.
Er trägt einen
schäbigen Kittel und Bewaffnung,
sieht verwahrlost
und abgehärmt aus)MATHIS
Wer hiess euch den Grafen ermorden?
BAUERN
Er hat
Den Tod verdient. Sein Blut floss zur
Sühne
Seiner Greuel.
MATHIS
Brüder, kämpft ihr nicht für das
Recht?
Ihr wollt die Macht stürzen,
eigennützige TatVerhindern
und seid selbst voll Eigennutz!
BAUERN
SchieneDir, was der Bauer tut,
schlechter als schlecht,
Was ist es gegen der Reichen
Rechtsbruch?
MATHIS
Was kümmern euch die Rinden andrer?
Haltet euch selbst rein.
BAUERN
Zuerst die Rache.
Dann findet sich Zeit genugZu
bessern.
MATHIS
Wie stimmt das überein Mit
den Forderungen
der zwölf Artikel?
(sie umdrängen Mathis)
BAUERN
Wir sind die Herren.
Wir richten die Welt Ein, wie wir sie
brauchen,
wie sie uns gefällt.
EIN BAUER
Wann hatte ich mehr als einen Nickel
In der Tasche?
EIN ZWEITER
Nicht zweimal im Leben ass
Ich mich an Brot satt.
EIN DRITTER
Uns holten sie aus dem StallDas Vieh.
EIN VIERTER
Mich hetzten sie mit Hunden, als ich
die Gült
Nicht zahlen konnte.
ERSTER
Unsre Habe, der Prälat frass Sie auf.
ZWEITER
Wir wollen nur Christi eigen sein.
Nicht Qual
Dulden von Rittern und Pfaffen.
DRITTER
Kein Herrscher gilt
Als der Kaiser.
VIERTER
Uns ist der Fisch, der Vogel, die
Frucht
Des Feldes.
ALLE BAUERN
Haltet euch schadlos. Durchsucht
Alle Häuser. Die Zeit der
Entbehrungen
Ist vorbei. Nehmt, was ihr findet.
(Sie wollen abziehen.
Mathis wirft sich ihnen entgegen)MATHIS
Ihr versündigt euch. Hört!
Bleibt!
(er wird zurückgestossen)
BAUERN
Was willst du? Gerufen hat dich
niemand.
Dass du kein Bauer bist, sieht dir
jeder an.
Was kommst du, mengst dich
in unsre Verrichtungen?
Gegen uns ist, wer uns im Genusse
stört.
Aus dem Wege.
(Einige rücken ab. Andere
belästigen die Gräfin)ANDERE
Schöne Schwester, in unsre Hand
Fielst du nicht vergebens.
Ein Bauerntölpel kann Dir auch
schöntun.
Du giltst so viel wie er.
GRÄFIN(weicht aus)
Welches LeidSteht mir noch bevor?
BAUERN
Würfelt, lost um sie.
ANDERE
Wer sie sich fängt, mag sie behalten.
MATHIS(kommt der Gräfin zu Hilfe
und kämpft mit den Bauern)
Barbaren seidIhr.
GRÄFIN
(flieht zur Kapelle, wirft sieh
vor dem
Marienbild nieder, die Bauern
verfolgen sie)
Heilige Jungfrau, erlöse mich. Den
Tod
Sende mir als Befreier endlich.
BAUERN
(reissen sie weg and zerstören
das Bild)
Weg vom Götzenbild!
Reisst den Flitter herunter.
MATHIS(schlägt sich mit ihnen)
Menschenvieh!
Schreckt ihr vor Raub, Mord und
Notzucht nicht
Zurück, so habt doch Ehrfurcht vor
Gott
Und seinem Eigentum. Denkt daran,
welch ein Gericht Euer wartet!
(wird niedergeschlagen)
BAUERN
Wer soll uns richten? Wir
Sind ringsum die Mächtigsten.
Jeder Wunsch wird erfüllt.
Drietter Auftritt
(Schwalb kommt eilig in
Waffen. Regina hinter ihm)SCHWALB(zornig)
Das sieht euch gleich: sich schlagen,
schreien, prassen.
Unvernünft'ges Volk! Der Feind rückt
an.
Ihr Werdet hart kämpfen müssen.
An seinen Platz jedermann!
(Die Bauern zerstreuen sich
murrend, bringen ihre Waffen)BAUERN
Was vermögen wir wider des Truchsess
Heer?
SCHWALB
Wollt ihr euch niedermachen lassen,
Verrecken wie die Käfer?
Uns kann Nichts retten als ein
siegreicher Kampf.
Wer Nicht vergessen hat, weshalb wir
in den
Streitb Zogen, weiss auch, dass die
Gerechtigkeit
Uns siegen lässt.
(zu Mathis)
Mathis, was hat man dir getan?
MATHIS
Eine kleine Wunde nur, ohne Bedeutung
In dem Elend, das mich umgibt.
(Regina verbindet ihn)
SCHWALB
Die Verzweiflung
Jahrzehnte lang hat sie mürbe
gemacht.
Kurze Zeit kann Die Aussicht auf
Besserung sie
aufstacheln;
beim Ersten starken Schlag liegen
sie darnieder.
Die Not nahm Ihnen noch den Mut.
BAUERN
Kampf und kein Ende.
Was geschieht, wenn wir siegen?
Auf den, der heil entkam,
Wartet das ewig gleiche
graue Dasein daheim.
REGINA
Den Vater bedrückten so schwere
Sorgen sonst nie. Wie oft zogen wir
zur Schlacht,
Wie mutig waren sie.
GRÄFIN
Ihr Übermut ist zu Ende.
Dein Sterben wird gerächt, liebster
Mann.
Wie Tapfer waren sie,
als sie die ÜbermachtWaren!
SCHWALB
Ich bin machtlos, zerstiebe ins
Leere.
Ich lebte umsonst, die Hoffhung der
Bauern
stirbt mit mir.
MATHIS
Ohnmächtig starre ich dem Untergang
entgegen.
Tod Und Jammer müssen die Ärmsten
leiden,
damit die Reichen reicher werden.
Bin ich gegangen Aus Dienst und
Arbeit,
um diese Lehre zu empfangen?
SCHWALB(zu Regina)
Regina, liebstes Kind, wenn du in Not
Zurückbleibst, sei tapfer,
eines tapfern Bauers Kind.
Was ich erträumte, stärke dich.
Mein Unvermögen
Sei dir Mahnung. Weine nicht, guter
Kamerad.
(Er küsst sie, Regina weint.
Signal
draussen. Alle schrecken auf)
Sie sind da.
(reicht Mathis die Hand)
BAUERN(in Erregung)
Das grause Horn.
Der Truchsess naht.
MATHIS
Die Herzen aller Armen schlagen uns
entgegen.
Mit uns ist das Vertrauen der
Bedrückten.
Wir sind Darum die Sieger.
(Signal näher)
BAUERN
Denkt an die Böblinger Hölle!
MATHIS
Wir Liegen hinter sichren Zinnen.
(Vorbereitungen zur Schlacht)
BAUERN
Unsre Brüder Wurden geschlagen.
Der Berlichinger
liess uns im Stich
SCHWALB
Warum schiesst das Geschütz nicht?
Besetzt die Mauern!
(Signal ganz nahe)
BAUERN
Kennt ihr die bündischen Reiter?
Sie reiten nieder,Was ihnen begegnet.
SCHWALB
Feiglinge seid ihr!
Das sind nicht dieselben
todesmutigen Bauern,
Mit denen ich auszog. Nehmt euch
zusammen.
Ich Weiss, der Kampf wird gut
ausgehn. Ihr seid
Die Wegbereiter einer neuen Zeit.
(Es ist dämmrig geworden. Angriff
des Bundesheeres.
Kampfgetümmel. Die Bauern werden
geschlagen, das
Heer verfolgt sie. Schwalb wird
erstochen. Er liegt tot
im Vordergrunde, Regina kniet bei
ihm. Mathis steht
abseits, die Gräfin sitzt auf den
Stufen der Kapelle. Der
Truchsess von Waldburg mit
Sylvester und anderen
Offizieren kommt, während das
Heer durchzieht)Vierter Auftritt
TRUCHSESS
Flohen nicht alle?
Wer leistet hier noch Widerstand?
SYLVESTER
Ein letztes Nest noch.
TRUCHSESS
Halt, wer liegt da?
SYLVESTER(erkennt Schwalb)
Der Schwalb! Was trieben
Wir nicht, ihn zu fangen.
Und nun fällt er uns so wohIfeil Zu.
TRUCHSESS(deutet auf Mathis)
Und der?
SYLVESTER
Wer kennt alles Gesindel?
(sieht Mathis an)
Ein Niemand.
TRUCHSESS
Warum lebt er noch? Weg mit ihm.
(Als Landsknechte Mathis greifen
wollen, springt die Gräfin vor)GRÄFIN
Hört mich!
Sie hiebenMeinen Mann nieder,
den Grafen Helfenstein.
TRUCHSESS
DasSollen sie teuer zahlen.
Und ihr Gräfin,
seid heil?
GRÄFIN
Dank diesem Mann.
Er stiess zurück, die mich
Bedrängten,
er verdammte den Mord am Grafen.
Drum bitte ich für ihn: Lasst ihn
frei.
TRUCHSESS
Was Er auch für ein Strolch sein mag,
er trolle sich, Da eine edle Frau für
ihn bittet.
Unsre WaffenSchützen euch.
Kommt mit uns, Gräfin.
(Alle ab ausser Mathis und Regina.
Mathis steht wie betäubt)
Fünfter Auftritt
MATHIS
WagenWollen,
was ein Wille nicht zu zwingen
Vermag.
Sich erheben über die Fähigkeiten
Des Menschen. Ein einziger durfte
tragen
Das Kreuz der Welt. Mit seinem Tode
gingen
Die Gebrechen zu Grunde der Völker
und Zeiten.
Und du Schwacher!
Du wolltest erlösen.
Aus Ketten wolltest du die Brüder
befrein.
Du massest dir an, der Vorsehung
weisen
PlanZu bessern.
Und was bist du gewesen?
Ein unzufriedner Maler, ein
Missratner Mensch.
Büsse, was du getan.
Unterwirf dich der Kraft, die dich
zerschmettert.
Gib Auf. Schleiche dich wie ein
nächtlicher Dieb
Vom Platz deiner Schande. Feuerbrände
Der Selbstqual, irres Rennen im
Kreise. Zu Ende.
(Als er taumelnd abgehen will,
fälIt er beinahe über
Regina. Er erschrickt, hebt das
weinende Kind auf,
nimmt es schützend an sich und
geht mit ihm eilig ab)
FÜNFTES BILD
(Martinsburg in Mainz,
Arbeitszimmer des Kardinals.
Albrecht, Capito. Albrecht geht
zornig auf und ab)Erster Auftritt
ALBRECHT
Wollt ihr mich denn entmündigen?
Gestraft Ist mein Vertrauen auf
deinen Beistand:
Vormundschaft Übst du aus.
Den Plänen Luthers will ich Mich
nicht fügen,
das sagte ich dir oft.
Und trotzdem unternimmst du es,
mich Zu verkuppeln und bestellst
unverhofft
Die Anwärterin her. Zum letzten Mal:
Der Kardinal Heiratet nicht.
CAPITO(achselzuckend)
Noch weniger kann der Erzbischof
Von Mainz bankrott machen.
ALBRECHT
Dass meine Mittel schmal
Sind, nützt ihr aus. Wem gilt der
Aufwand denn?
Der Kirche, dem Staat, dem Volk.
Baut man ohne Geld?
Gibt mir ein Maler umsonst ein Bild?
Selbst wenn
Ein Dichter den Mund auftut, will er
bezahlt sein.
Verschwenden - wie ihr's nennt –
kann ich getrost, wenn mich mein Hof
Dafür dem Luthertum verkaufen darf
als Vorspann.
Wenn ich will, wird Luther springen
nach meiner
Musik, nicht umgekehrt.
CAPITO
Nicht Überzeugung bestellt
Mich zum Fürsprech.
Ich glaube dieser Lehre nicht‑ wie
keiner
Anderen. Ich sehe nur, dass sie nicht
tanzen,
wie ein Noch so hoher Kirchenfürst es
wünscht.
Niemand kann Heut Entschlüsse fassen,
ohne mit dieser Macht Zu rechnen.
ALBRECHT(verächtlich)
Eine Macht von weggelaufenen Mönchen,
vonAufgepeitschten Bauern,
unzufriednen Bürgern!
CAPITO
Die Kittel sind verschieden,
die Meinung ist die gleiche.
Das macht sie stark.
ALBRECHT(beruhigt sich)
Hast du denn die Folgen bedacht
Einer Heirat?
Zur Unordnung, die schon
Vorhanden, wird Zerstörung sich
gesellen.
Die Reiche Des Papstes und des
Kaisers
werden die Erschütterung Nicht
tragen.
CAPITO
Zwingt der Geschichte euren Willen
auf.
WieFrei entfaltet sich an eurem Hof,
was in Dumpfheit Anderswo erstickt.
(lächelnd)
Ihr seid nicht gar so weit
Entfernt vom Wunschbild eines
lutherischen
Fürsten. WasEuer überlegenes Handeln
bestimmt: Die AhnungGrosser
Zusammenhänge,
muss euch zum wenigsten dasHören
lassen,
was die Leute vorzubringenHaben.
ALBRECHT
Vielleicht hast du recht.
(wehrt lächelnd ab)
Aber Iass sein.
HeutIst mir's zuwider,
mich im Brautstand
mit Parteiwirtschaft Abzugeben.
CAPITO(unterwürfig)
Es könnte sein, dass auf dem geringen
Boden der Verhandlung manches
erblüht,
das euch erfreut.
ALBRECHT(lacht)
Du machst, wie immer,
selbst das Bittre schmackhaft,
Wenn auch dein Rat mir stets
den eignen Willen raubt.
CAPITO
Ein Guter Rat, ist er's nicht wert?
ALBRECHT
Lass deine Dame nur herein.
(Capito öffnet die Tür,
lässt Ursula ein und geht ab)Zweiter Auftritt
(Ursula tritt ein. Sie ist bleich
und
beherrscht mühsam ihre grosse
Erregung)ALBRECHT(verwundert)
Du, Ursula!
Konnte ich ahnen, dass er dich
Meinte? Auf einen Angriff bin ich
nicht gefasst,
Bei dem so starke Streiter kämpfen.
URSULA(lächelt gezwungen)
Ich könnte schwerlich
Wagen, mit euch zu streiten. Demütig
Nahe ich, eure Entschlüsse zu
erfahren.
ALBRECHT(strenger)
Du hast Kenntnis von dem Plan,
der dich und mich betrifft. Ist er
Dir willkommen?
URSULA(gefasst)
Willkommen wie das Glück oder der
Tod. Um diesen Pol wird alles
kreisen,
Was in mir lebt und denkt und
handelt.
ALBRECHT
Gehst du denn froh Diesen Gang?
URSULA
Da ihr versteht, tragt ihr mir gütig
Einen Teil der Last.
ALBRECHT
Ich kann, was du beweisen Willst,
nicht glauben.
(schroff)
Sage mir ehrlich: Warum
Dienst du unedlem Handel?
URSULA
(zutiefst getroffen, mit Mühe
unterdrückt sie ihre Empörung)
Handel?
Seht ihr so Mein Kommen an?
Mich treibt, was sich in solcher
Grösse nie
Ereignete: In einem unbekannten Mönch
weiss
Ein Gedanke kühn Gestalt zu finden,
der ringsum
Alle Welt entzündet. Wie mächtig muss
er sein,
wie Tapfer auch sein Träger, wie
hungrig aller
Herzen, dass erSo herrlich Früchte
trägt!
Die ihm ergeben,
wollen Kreis Um Kreis für ihn
erobern.
Mit jeder Burg, die fällt,Stärkt sich
ihr Mut,
und endlich wagen sie sich an Das
höchste Ziel:
an euch.
Was Wunder, dass ein
Weib schwer Solcher Macht widersteht
und seine Kraft zur Hilfe stellt?
ALBRECHT
Dich macht Begeisterung blind, das
nutzen
sie für ihren Plan Geschickt aus.
Willst du mich glauben machen, dass
du Nicht
weisst, was diese Heirat soll?
Der Kirche wollt ihr Den schwersten
Schlag
versetzen. Ist erst der stärkste
Mauerstein
Gebrochen, stürzt leicht das ganze
Haus ein.
Was lautere Mittel nicht erreichen,
wird dir
Mit grosser Kunst gelingen.
Ein gutes Spiel, zu
Gut die Rolle, die du übernahmst.
URSULA(zittert vor Erregung)
Tiefste Scham.
Steigt in mir auf. Die Deutung, die
ich höre
Von euch, lässt mich so verworfen
erscheinen,
dass ichVergeblich nur versuchen
würde, mich
Zu verteidigen. Nur eins: Ich kam
Reinsten Glaubens, euch zu gewinnen,
ich schwöreEs.
ALBRECHT(lenkt ein)
Eine Frau wie du tut solchen Schritt,
wenn zu viel Liebe sie treibt.
Du kommst mit kaltem Herzen.
URSULA(abweisend)
Was in mir
Liebe war, ging in einer Flut von
Tränen unter.
(steigernd)
Verdammt Mich für Niedriges,
das ich ohne Wissen tat, wenn
ihr Euch selbst geprüft habt.
Dass ihr gewogen seid Der Sache
Luthers,
liesst ihr uns glauben.
Ihr nahmtWohlwollend
Teil an ihrem Wachsen und gabt
Uns Hoffnung auf gänzliche Bekehrung.
Verzeiht Darum den Eifrigen,
dass sie Euch eilig zu erringen
trachten.
(Sie steigert sich zu grosser
Begeisterung,
Albrecht hört ihr erstaunt zu)
Ihr habtWie kein andrer Fürst die
Macht
und Weisheit, dasReich
des neuen Glaubens stark zu leiten.
Das Widersprechende sollt ihr
zusammenbinden,
Für Ungeklärtes Formen finden.
Ein Ende macht dem unfruchtbaren
Streiten.
Im Volke nimmt der Hader täglich zu.
Ihr spürt, wieAus dem Glauben
Starrsinn wird.
WasWorte nicht mehr schlichten
können, wird dem Schwerte Überlassen.
Friedlichste Männer reisst der
Strudel mit sich.
Was sie als Recht erkannten,
dem ergeben sie sich blind.
Nicht seitwärts schauen sie, das
Liebste auf der
ErdeVerlassen sie und ziehen in den
Kampf.
SchmählichVergehen sie. In Trauer und
des Trostes bar sind Wir
zurückgeblieben.
(kniet vor ihm nieder)
Seid ihr geringer?
Steht als Bekenner eures Glaubens
auf, als
Bezwinger Alles Unentschiedenen.
Führt einen
Heerbann Gläubiger Streiter zum Heil
hinan.
(Tief bewegt hebt Albrecht sie zu
sich, sieht sie voll
Dankbarkeit lange an und küsst
sie auf die Stirn. Dann
geht er schnell zur Tür und
öffnet sie. Capito und
Riedinger treten ein)Dritter Auftritt
ALBRECHT(fest)
Ihr wollt das Ergebnis der
Unterhandlung
Wissen. Ihr hattet einen Anwalt, der
mit der Kraft
Der Überzeugung warb. Ich bin
bekehrt.
RIEDINGER(freudig)
Ich bin der Treueste eurer
Gefolgschaft,
Der glücklichste Lutheraner.
ALBRECHT(weist ihn ruhig ab)
Der Ordnung
Muss der Fürst sich unterwerfen.
Treue lehrt
Mich Treue halten, Demut unterweist
Mich in Demut. Die Kenntnis, die ich
empfing, heisst
Mich meinen Weg gehen: den Weg der
Kirche.
Ich Sühne, was ich versäumte, durch
Dienen,
Schweigen Und Gehorchen. Dienen dem
Amt.
Schweigen der Welt,Gehorchen meinem
Herrn.
CAPITO(beiseite)
Auf ihn kann man sich
Nicht verlassen, ich hätt' es wissen
sollen.
RIEDINGER(ebenso)
Stellt Weiber nicht auf Männerposten,
dann zeigen Sich bessere Ergebnisse.
URSULA(ebenso)
Habe ich das erreicht?Ist er nicht zu
fassen?
ALBRECHT(zu Riedinger)
Ihr möget frei euch zu Luther
Bekennen. Es wird sich weisen,
ob Gnade ihm beschiedenIst.
(zu Capito)
Du, Capito, magst dich umtun nach
anderem
Dienst.Mein Leben soll mehr das eines
Eremiten
Als eines Bischofs sein.
Die Pracht, die mich umgibt, weicht
Karger Einfachheit.
Dem Überfluss entsage ich.
Zur Tilgung meiner Schulden diene der
Gewinst.
URSULA
Dem Wandernden eröffnen sich nach
einem
Überstiegnen Gipfel neue Pfade.
GestorbenIst, was ich verliess.
ALBRECHT
Den Frieden habe ich erworben
Gelöster Fragen. Ich will, was
FaIsches war
in meinemTreiben, in Rechtes wandeln.
CAPITO
Aus dem Paradies Wies man weniger
freundlich den Menschen.
Gleichwohl Geht er bis heute leidlich
durch die Welt.
RIEDINGER
Dies Schlug fehl, wir finden neue
Wege.
Notwendigkeit soll Werden, was nur
geduldet ist.
ALBRECHT(zu Riedinger)
Mein Freund, schmähtEure Tochter
nicht. Was
sie vollbrachte, geht Mit eurem Plane
schlecht
zusammen. Und doch erreichte Sie so
viel.
(zu Ursula)
Wie kann ich dich dafür belohnen?
URSULA
Eine Tochter der römischen Kirche hat
leichte
Mühe, Gott zu leben.
Fern der Welt mag sie wohnen,
Mag Keuschheit und Gebet geloben.
Mein Glaube kennt Nicht diesen Weg.
Strengere Bindung trennt Mich ab.
Mitten im Treiben will ich ausharren,
Will geben und helfen.
Bis zum letzten starren Gedanken will
ich
mich enteignen.
Wollt ihr mir Gutes tun,
so segnet mein Beginnen.
(kniet nieder)
ALBRECHT(segnet sie(
UngehorsamEntwachse ich der Kirche,
segne ich, was dich ihrEntfremdet.
So vollende du dich einsam
Zu ferner Menschengrösse. Vergönnt
Sei dir, den Wandel Seliger zu
schweben,
Zu Gott auf eigne Weise dich zu
heben.
SECHSTES BILD
(Odenwald. Gegend mit grossen
Bäumen im letzten
Abendlicht. Regina eilig, Mathis
kurz nach ihr)Erster Auftritt
MATHIS
Du wirst mich verlieren. Es ist zu
lange her,
Dass ich so jung war wie du und so
schnell.
REGINA(in fiebriger Hast)
Lass uns dochWeiterlaufen.
MATHIS
Wohin willst du in der Nacht?
REGINA
Wer Hat mir je gesagt, wohin der Weg
geht?
NochImmer drangen wir ins Unbekannte.
MATHIS
Keiner jagt Uns mehr.
REGINA
Wie weisst du das? Der liebste Vater,
er verstand Mich ohne Worte,
er führte mich zart an der Hand.
Und nur einmal, zuletzt, liess er
Mich allein zurück. Seit ich ihn tot
liegen sah,
Im Blute, mit offnen Augen, die wie
ein
Wunder des Himmels Schwarze
anstarrten,
mit den angstvoll
Verkrallten Händen, schüttelt mich
die Angst,
dass der Tote Mann mir folgt.
Er holt mich ein, ist nah, Ergreift
mich.
Und wie sehnlich wünschte ich, mein
Herz bei ihm in Ruhe zu betten.
Soll mich Sehnsucht, sollMich
Entsetzen
lähmen? Sage mir: wo ist er?
Versinkt ein Toter, wird er erhoben?
Lass mich nicht allein!
MATHIS
Mein Töchterlein, zusammen bleiben
wir.
(küsst sie)
Beruhige dich.
Lege dich zum Schlaf auf meinen
Mantel.
(Er bereitet ihr auf dem Mantel
ein Lager,
bettet sie und setzt sich
tröstend neben sie)
Wie mürbe ist des Alters Pein,
Masslos das Leid der Jugend. –
Alte Märchen woben
Uns fromme Bilder, die ein
Widerscheinen
Des Höheren sind.
Ihr Sinn ist dir
Fern, du kannst ihn nur erahnen.
Und frommer noch reden Zu uns die
Töne,
wenn Musik,
in Einfalt hier Geboren,
die Spur himmlischer Herkunft trägt.
Sieh, wie eine Schar von Engeln ewige
Bahnen
In irdischen Wegen abwandelt.
Wie spürt man jedenVersenkt
in sein mildes Amt.
Der eine geigt
Mit wundersam gesperrtem Arm, den
Bogen
wägt Er zart, damit nicht eines
wenigen
Schattens Rauheit
Den linden Lauf
trübe.
Ein andrer streicht Gehobnen Blicks
aus Saiten seine Freude.
Verhaftet scheint der dritte dem
fernen Geläute
Seiner Seele und achtet leicht des
Spiels.
Wie bereit Er ist,
zugleich zu hören und zu dienen.
REGINA
Es sungen drei Engel ein süssen
Gesang,
Der weit in den hohen Himmel erklang.
MATHIS
Ihr Kleid selbst musiziert mit ihnen.
In schillernden Fedem schwirrt
der Töne Gegenspiel.
Ein leichter Panzer unirdischen
Metalls erglüht,
Berührt vom Wogen des Klanges wie vom
Beben
Bewegten Herzens.
Und im Zusammenklang viel
Bunter Lichterkreise wird aus
kaum gehörtem Lied
Auf wunderbare Art sichtbares
Formenleben.
REGINA
Es eint sich mit ihnen der himmlische
Chor,
Sie singen Gott und den Heiligen vor.
(Es wird völlig Nacht)MATHIS
Wie diese ihr klingendes Werk
verrichten,
So beten andre.
Mit weichen Füssen treten
Sie auf die weicheren Stufen der
Töne.
Und duWeisst nicht: musizieren, die
Gebete
dichten Oder hörst du der Musikanten
Beten.
Ist so Musik Gebet geworden,
hört lauschend zu Natur.
Ein Rest des Schimmers solcher
Sphären
Mög unser dunkles Tun verklären.
REGINA(einschlafend)
Die Welt ist erfüllt von göttlichem
Schall,
Im Herzen der Menschen
ein Widerhall.
Zweitter Auftritt
Sinfonía(Versuchung des heiligen Antonius
drei Sätze –11/14 Minuten
insgesamt)
(Regina ist ganz eingeschlafen,
sie
verschwindet dann unbemerkt von
der Bühne)
(Matías hat eine Vision: Er sieht
sich als Heiligen
Antonius, der von Reichtum, Macht,
Lust,
Weisheit und Stärke in Versuchung
geführt wird.
Dann verschwindet diese Vision und
an ihrer
Stelle erscheint der heilige
Paulus in der Gestalt
des Kardinals, der ihn ermahnt,
zur Malerei
zurückzukehren: Dort wird er Gott
mit seiner
Kunst dienen und seine Berufung
erfüllen)
MATHIS
Das kann nicht der gleiche Mann sein:
dem
Solches einst entsprang,
der andre im unfruchtbaren Jammer
vor dem letzten Abgrund.
Was istVon dem Besitz geblieben?
Was tat ich, dass er von mir Genommen
wurde?
(Ein Teil der Bühne erglänzt in
geheimnisvollem Lichte.
Mathis liegt in der Gestalt des
heiligen Antonius am Boden.
Ein mittelalterliches Schloss
erscheint. Die Gräfin des
vierten Bildes erscheint als
Sinnbild des Reichtums und
der Üppigkeit, ihr folgen nach
und nach reich geschmückte
Leute ihres Hofes ein Bild nach
Art alter süddeutscher Maler)ÜPPIGKEIT (Gräfin)
Du hast ihn verschleudert. Wem
Schätze wurden, der muss sich reicher
sparen.
Nur Überfluss, der weiteren
Überfluss frisst,Gedeiht.
Wie kannst du Schöpfer sein, wenn dir
In der Hand zerrinnt, was du hast?
ANTONIUS
Malen und zugleich
Die Münzen zählen; wer das könnte,
wäre reich
Und tot der Arbeit.
ÜPPIGKEIT(lacht)
Ein Armer, der doch jeden Tag
Das Messer aufhob, sich umzubringen.
ANTONIUS
Das Kind Hält mich hier.
ÜPPIGKEIT
Welches Leben stünde ihm und dir
Bereit! Mit höchster Kunst verbunden
grösster Reichtum.
Ihr Hofstaat umringt schmeichelnd den
Antonius.
Die Erde liegt dir zum Genusse offen,
dienstbar sind Dir alle.
(Die Figuren treten beiseite.
In einem Gewölbe sieht man einen
Kaufmann mit verbrämtem Mantel)KAUFMANN
(Pommersfelden)Ja, fauler Reichtum, faulerer Genuss.
Ist's das, was einem Manne offen lag?
Mit deinem Reichtum musst
du dir Macht schaffen.
ANTONIUS
Mir Stand noch immer frei,
nach meinem Willen zu tun.
KAUFMANN
Und was wolltest du?
Bis zum Überdruss
Malen. Benutze deine Mittel, um
Andere zu
unterdrücken. Gibt es das, wovon Sie
schreiben:
Göttlichen Geist, kann er nur in dem
ruhn,
Der andere beherrscht.
Sieh nur,
wie dich schon Mächtigere banden.
Ein Kind entreisst den Krumen Deiner
Macht
dir leicht: den Beschluss über dich
selbst.
ANTONIUS
WasIst mir Macht,
wenn ich den Nächsten leiden sehe?
KAUFMANN
NieSoll dich fremdes Leid berühren.
ÜPPIGKEIT
In den HeiligtumenMammons
sorgt sich niemand.
Ein Gran, das du ins FassDes Abfalls
wirfst,
frisst dankbar gierig ein Bettler.
Die Gute Tat beruhigt obendrein
noch dein Gewissen.
(Kaufmann und Üppigkeit abseits.
Zu Antonius
Füssen liegt eine Bettlerin in
zerlumptem Kittel)BETTLERIN (Ursula)
Gibst du noch so viel, du stellst
niemals
den Mangel ab.
Gib mir und gib mir noch.
Ich will den Bissen Des krassen
Hungers
nicht zu schnell erliegen.
Du Hilfst das Gleichgewicht erhalten,
bewahrst du mich vorm Grab,
Damit ich ewig heischen kann.
(Sie wirft den Kittel ab und
steht in
verführerischer Schönheit vor
ihm)
Ich bin zuWenig, mache mich zu
Vielem.
Masslos wächst in mirDas Begehren.
Fasse, was sich dir bietet,
Da es in sich nicht Halt und Fassung
findet.
Ein Leib wird einzig Sucht.
So brünstig ist ein Tier,
Ein Gott so feurig. Im spröden Stoffe
Ein Kreissen, das dich
und mich erspriessen lässt.
Gib berstend, was im Innern siedet.
Nimm, dass Geben sich an Nehmen
bindet
Und Neues zeugt.
ANTONIUS
Wie grosse Lust ich mir erhoffe,
In einem Augenblicke reift, was als
schaler Rest
Sogleich verstirbt.
BUHLERIN
Für diesen. Augenblick Sollst du
leben.
ANTONIUS
In uns ist so viel Edles, das im
Schlund
Des Gemeinen nicht untergehn darf.
(Frauen werfen der Buhlerin ein
graues Tuch um.
Der Platz vor einem Stadttor tut
sich auf. Männer
mit Stangen und Waffen schlingen
Stricke um die
Buhlerin und ziehen sie zum
Platz)MÄRTYRERIN (Ursula)
Über die Lust hinaus Wächst nur der
Schmerz.
Jedes Wort, das mich zurück Weist,
trifft mich mit hundert Dolchen.
Mein Mund Klagt nicht. In stummer
Pein trage
ich aus,Was ich an Schmerz empfing.
Führt mich zur Mordstatt.
Wer leidet, muss zu Ende leiden.
Du tötest mich.
ANTONIUS
Nicht ich!
Uns tötet das matte
Kriechen
In dumpfer Lust, in dumpfem Elend.
(Während man den Richtplatz
bereitet, tritt
apito in Gestalt eines Gelehrten
zu Antonius)
GELEHRTER (Capito)
Und dich hat Der Tod vergessen,
da du auch nur dumpf verdriesslich
Kriechst?
Willst du an kranken Gedanken
hinsiechen?
Hier stirbt ein Mensch.
Beachte seine Atemzüge.
Vergleiche mit der Uhr,
ob er nach Vorschrift stöhnt.
Die Wissenschaft hilft dir die Welt
meistern.
Sei kalt!
ANTONIUS
Du weisst, und was du weisst, ist
Lüge.
Wer rettet mich?
Wie furchtsam auch mein Arm sich
anlehnt,
Noch tiefer falle ich.
(Aus der Stadt reitet mit Gefolge
der Kriegsherr
(Schwalb) in glänzender Rüstung
zur Richtstätte.
Gewirr von Menschen und Geräten)KRIEGSHERR (Schwalb)
Du bist zu alt Geworden.
Nur Krieg häIt ständig jung.
ANTONIUS
StandIch im Kriege nicht meinen Mann?
KRIEGSHERR
So gut duKonntest.
Empfindsamkeit schwächt die
Schlagkraft.
(Mit einer Handbewegung bietet er
den Zurüstungen
Einhalt. Das Bild verwandelt sich
langsam in die auf
der Versuchungstafel des
Isenheimer Altars dargestellte
Landschaft)KRIEGSHERR
Was uns zuLeicht ist, trägst du
schwer.
Blut, das fliesst, zerstörtes Land
Bricht
dich entzwei.
Du willst nicht sehen, dass Untergang
Auferstehung ist. Sei froh,
dass man dich duldet, da du Nicht
zerstören
kannst, um Neuem Platz zu Schaffen.
(In der Mitte spielt sich ab, was
auf Mathis' Tafel
dargestellt ist: Dämonen quälen
Antonium. Die
Solisten und der Chor füllen alle
anderen Teile der Bühne)
CHOR
Dein ärgster Feind sitzt in dir
Selbst.
Ist dir die Gabe, Dinge zu sehen,
sieh Nicht
zu genau hin. Kannst du denken, denke
nichts
Zu Ende.
Bezwinge dich, Letztes zu erfühen.
Kannst du dich nicht bescheiden,
stösst dich
zurück Das Leben, die Hölle nimmt
dich auf.
(wildes Gewühl)
Wir Plagen dich mit deines eignen
Abgrunds Bildern.
Wie Schlägt der gefiederte
Bruder herzhaft zu.
Gebricht'sAm Pferde, kann man auch
auf Kröten reiten.
Die vielenIrren Augen durchstechen
dich.
Stracks reisst man dir Den Mantel
fort,
die Strähnen rauft man dir aus.
Man tritt dich, hört nicht dein
Geschrei.
Ein Kranker wälzt aussätzig sich
heran.
Ein Tier Beisst dir die Hand.
Ringsum stürzt ein das Haus.
Wenn auch das Gute für dich streitet,
kein Sieg wird ihm.
Mit uns im Bund ist die Natur.
Was gross ist, ist heut schrecklich
gross,
das Bunte Grässlich bunt. Was tief
ist,
führt zum Höllengrunde.
Wald, Berg und Himmel brüllen geil im
Aufruhr.
Gib auf den Widerstand, vernichtet
steh!
Uns gehörst du,
wir sind dir höllisch nah.
(zugleich singen alle Solisten)
ANTONIUS
Ubi eras, Jhesu bone, ubi eras, quare
Non affuisti, ut sanares vulnera mea?
MÄRTYRERIN
Verzichte nun, da du im Entsagen so
geübt,
Auf jedes Mittel,
das dir Rettung aus der Not gibt.
ÜPPIGKEIT
Wie gut, wenn man Reichtum zu
schützen weiss.
Die Hölle lässt sich kaufen um einen
guten Preis.
KRIEGSHERR
Das ist's, was dir jetzt fehlt: ein
scharfes
Schwert zur Kraft Und blinder Mut,
der dir die Plage vom Halse schafft.
GELEHRTER
Durch Wissen kannst
du alle Schrecknisse besiegen.
Wer liesse sich nicht durch Formeln
unterkriegen?
KAUFMANN
Macht gegen Macht, die Kräfte stünden
gleich,
Wärst du der Rechte.
So trifft dich der Todesstreich.
(Es ist dunkler geworden. Auf dem
Höhepunkte erlischt
der Spuk. Eine neue Landschaft
erstrahlt in sanftem Lichte:
es ist das Bild der Begegnung
zweier Heiliger, des heiligen
Paulus und des heiligen Antonius,
Isenheimer Altar)Dritter Auftritt
(Der heilige Antonius in der
Einsiedelei des heiligen
Paulus. Antonius liegt am Boden.
Paulus (Kardinal
Albrecht), in geflochtenem
Schilfkleld, hebt ihn auf)
PAULUS (Albrecht)
Mein Bruder,
entreisse dich der höllentiefen Qual.
ANTONIUS
Lass mich im Pfuhle untergehen, ich
Bin nicht wert, dass du ausstreckst
die Hand.
PAULUS
Deines Unwerts Bewusstsein erhöht
dich,
all Dein tödlicher Krampf wird
gelöst,
nimmst du mich Als deinen Beichtiger.
ANTONIUS
Die heiligen Männer fand Der Tod
wie alle Menschen.
Gleichwohl leben sie.
Ich, der ich lebe, bin gestorben.
PAULUS
Und wie starbst du?
ANTONIUS
Ich tötete mich selbst und weiss
nicht wie.
Was ich auch trieb, ob es in Gottes
Augen gut,
Ob Übel ist, mir erschien es recht.
PAULUS
Du warst zu Eilig, hast nicht gut
bedacht.
Setze dich hier, bis
Ich dir klärte, was trübe scheint.
(Sie sitzen sich gegenüber. Das
ist
ungefähr die Szene des
Altarbildes)
In der Hut Deiner Arbeit lebtest du.
Geborgen warst du,Meisterschaft trug
dich,
der Väter Kenntnis.
Du warst, da du tiefer schaust als
andre,
den Kreis Bald abgeschritten,
der dir nach Überlieferung Und
Standesbrauch
gesteckt war. Weil du allzuFest
standst,
wanktest du.
Dich berührte in Welschland leis
Fremder,
süsser Kunst neue Verkündung.
Stürme durchtosten unsre heilige
Kirche,
dich Rissen sie fast aus dem Boden.
Du flohst zur Armut.
Zweifel quälten dich.
In Elend und Krankheit
Haustest du. Stärker bekämpften sich
In dir Wankelmut und Treue.
Wo nur für Kampf und Blut Platz ist,
gedeiht nicht die Kunst.
Der ZeitGebrechen mahnten dich,
du fühltest dich mitschuldig
Und warfst dich selbst in den Streit.
ANTONIUS
Ja, meinem Gott mich
Darzubieten, meinem Volke Blut und
Geist
Zu opfern. Und warum war ich nicht
würdig
Der Gnade?
PAULUS
Du bist zum Bilden übermenschlich
Begabt.
Undankbar warst du, untreu,
als du dreistGöttliche Gabe
verleugnetest.
Dem Volke entzogst Du dich, als du zu
ihm
gingst, deiner Sendung entsagtest.
Kehre zurück zu beidem: Alles, was du
schaffst,
sei Opfer dem Herrn, so wird in jedem
Werke er
wirksam Sein. Wenn du demütig dem
Bruder dich
bogst, Ihm selbstlos dein Heiligstes
zu bieten
wagtestIm eigensten Können, wirst du
gebunden
und frei Ein starker Baum im
Mutterboden
stehen. Stumm,Gross, ein Teil des
Volkes,
Volk selbst.
Wenn man dir alles nahmUnd dich darob
vergass: der Baum weiss nicht um
seine Frucht.
Und wenn sie dich gleich erschlügen:
das
Schöpfertum Mit seinem Leibe zahlen,
ist das schwer?
Was du gesucht,Gelitten, deinem
Wirken gebe es den Segen Der
Unsterblichkeit.
Geh hin und bilde.
ANTONIUS
Mich hat in dir Gott selbst berührt,
der Mund des Volkes sprach durch
dich.
(Die Landschaft verwandelt sich
abermals.
Man sieht im hellsten Morgenlichte
die Stadt
Mainz und den Rhein)
BEIDE
Dem Kreis, der uns geboren hat,
können wir
Nicht entrinnen, auf allen Wegen
Schreiten
wir stets in ihn hinein.
Über uns zeigt sich Ein weiterer
Kreis:
die Kraft,
die uns aufrecht Erhält.
Was wir auch beginnen:
sollen wir uns echt Bewähren, muss
unser
Tun nach beiden Mitten weisen.
Lasst uns dem Boden danken.
Lasst uns den Himmel preisen.
Alleluia!
SIEBENTES BILD
(Mathis' Werkstatt in Mainz. Es
ist Nacht, eine
Kerze brennt. Im Halbdunkel
gewahrt man eine
Anzahl herumstehender
Bildertafeln. Skizzen und
Massblätter liegen allenthalben
herum, Zeichnungen
hängen an den Wänden. Vor einer
in Arbeit befindlichen
Tafel liegt Mathis in einem
Zustande völliger Erschöpfung
inmitten von Mal- und
Messgeräten. An der Seite steht
ein Ruhelager, auf dem Regina
schlafend liegt. Ursula
sitzt wachend daneben.
Erster Auftritt
URSULA
Das ist der Kreuzweg,
wo sich Tod und Leben scheiden.
Todesmattigkeit, noch nicht dem Leben
zuückerwacht;Ein Schlafen,
das nur letzte Stärkung ist, die
lichten
Tore des Jenseits zu ertragen.
Zwischen beiden Noch Ärmeres
als Tod und Schlaf: die hohle
Pracht Lebendigen Hierseins;
ein Pendeln in Pflichten,
Die man erfand, ihm Sinn zu geben.
(steht auf, sieht nach Mathis)
Als er zurückkam, Ergoss sich
in unbändigem Strom sein Schaffen.
In wirren Taumeln des Höhersteigens
gebar
er Tat um Tat, nahm Unmenschlichen
Laufs
die Gipfel des Tuns, entreisst fast
Dem Schöpfer
Geheimnisse des Gebarens, die ihren
Raffenden
Entdecker blenden. Unter der Last
Des Vollendeten bricht er zusammen.
(setzt sich wieder)
Noch nichtErwachen,
schon hinüber schlafen -was sich
spannt
Dazwischen, ist es des Lebens wert?
REGINA(richtet sich auf)
Ursula.
URSULA
Mein Kind.
REGINA
Sag mir, was soll das trübe Licht?
Schafft er nicht mehr?
URSULA
Er liegt, mit matter Hand,
Erschöpft inmitten seiner Tafeln da.
REGINA(erregt)
Was er gemalt hat, weisst Du es?
Das entsetzte Staunen,
Das ich im toten Auge meines Vaters
sah.
Es liess mich nicht mehr los. Ständig
und überall
reisst An mir die Angst, die Nacht
schreckt mich.
Das Raunen Der Bäume, das Murmeln des
Wassers, es spricht mir nah Vom toten
Grauen.
Als ich den Heiland Gekreuzigt sah
auf seinem
Bild, erschien mirIn neuem Schreck
die Deutung:
Wen solche Angst heimsucht,
der Kann nicht leben.
URSULA(stützt sie)
Gib mir deine Hand.
Der Heiland litt die Todesangst,
um dir die Furcht zu nehmen.
REGINA
Trug er so schwer Und nahm mir
schwachem
Menschen doch so wenig ab.
Könnte ich des Vaters starre
Miene damit Lösen.
URSULA
Du hast es schon getan.
REGINA(sinkt zurück)
Ich hab' Den einen Wunsch, ihn froh
zu sehen.
URSULA
Er trittZu dir,
wenn du die Augen schliessest, dich
Auszuruhen.
REGINA(sehr still)
Bald. - Ich bitte dich um eins.
Gib meinem Freunde dies.
(gibt Ursula das Band)
Es band mich hier an ihn. Droben soll
er mir
daran kenntlich sein, wenn er
körperlosen
Scheins schwebt in himmlischen
Stimmen.
(ganz leise)
Es sungen drei Engel ein süssen
Gesang,
der weit in den hohen Himmel erklang.
(Ursula küsst das Band, benetzt
es mit Tränen.
Sie geht zu Mathis, weckt ihn au
und weist auf
Regina. Mathis schrickt auf, geht
zu Regina, steht
in wortlosem Schmerz bei ihr.
Ursula neben ihm)REGINA(richtet sich noch einmal schwach
auf, ergreift Mathis' Hand)
Bist du da ‑ sind deine Augen
freundlich –
nicht fremd mehr ‑ Vater. –
(sinkt zurück, stirbt)
Vieles weiss ich.
(Das Licht verlöscht)
Zwischenspiel
(Nach einer Weile wird es hell. Im
frischen Morgenlichte
sieht man denselben Raum. Die
Tafeln und alle Malgeräte
sind entfernt, auch das Ruhelager
ist nicht mehr da. Auf
einem Tisch liegen zum Einpacken
bereit die Habseligkeiten
Mathis': Bücher, einige Kleider,
Gläser, Tiegel, Messwerkzeuge,
Pinsel, Farben, Schmuckstücke.
Mathis steht unbeweglich
allein. Die Türe öffnet sich,
Albrecht kommt mit offenen Armen
auf Mathis zu)
Zweiter Auftritt
ALBRECHT
Du bringst es über dich, mein Freund,
mir solche Botschaft Zu senden!
Woran hab' ich es fehlen lassen?
Ich bin zu mindren Werts, um deinem
wahrhaft Heiligen Tun Preise zu
bieten.
Lass meine Liebe nicht die Pein
erdulden.
MATHIS
Wer kann so erfassenWie ihr mein
Handeln,
da ihr selbst
mein Unrecht verstandet.
Seht, alle Arbeit ist getan.
Keine Stunde meines Wandels
vergeudete ich.
Der Welt Und Gott gab ich,
was ich mit schwachen Kräften schuf.
Nun, da mein Schifflein landet,
Kann ich, ein alter Mann, das weite
Meer
Mit Wehmut schauen, nicht mit Trauer.
ALBRECHT
Nimm mein Haus als eine Warte, die
mit der
Ruhe dir den BlickIns Weite bietet.
Nichts
wird dich stören, nur einTreuer
Freund
wird manchmal zu dir wallen.
MATHIS
Mein GlückWollt ihr.
Verschwendet nichts.
Nur kurze ZeitVerbleibt mir,
dann ergeht der letzte Ruf.
Mein Geist, zu matt, der Kunst zu
dienen;
mein Leib, der Schweren Mühen satt,
sie beide sollen weit Von allen
Stätten früheren Strebens geduldig
Das Ende erharren.
Lasst mich mein
SterbeplätzleinSuchen,
wie ein Tier im Wald.
ALBRECHT
Wie sehr mich schmerzt, was Du mir
zufügst,
ich bin dir stumm Gehorsam schuldig.
Uns trennt die Macht, die wir nicht
meistern.
Das Werk wird ewig von dir zeugen,
wenn dein Leib vergeht,
dein Name erlischt.
Leb wohl.
(umarmt ihn und geht ab)
Letzter Auftritt
MATHIS(allein)
Auf denn zum letzten Stück des Weges.
Leicht Will ich die Schwelle
übertreten.
Wie Sich alle Frucht von mir löste,
sei auch das letzte Blatt Aus reifem
Herbst
dem Boden übergeben.
(Er öffnet eine Truhe und
beginnt, seine
Habe hineinzulegen, bei jedem
Gegenstand liebevoll verweilend)
Hohl Wie das Grab die Truhe.
Dem Schlaf reicht Die Hand die
kleinen Leichname.
Sie Mögen noch bewahren, wenn man
mich begraben hat Einen Hauch dessen,
(Iegt eine Papierrolle in die
Truhe)
Was ich an Gutem übte,
(versenkt Massstab und Zirkel)
Was ich erstrebte,
(legt Farben und Pinsel hinein,
nachdem er sie gestreichelt hat)
Was ich erschuf,
(eine goldene Kette)
Was mir an Ehren ward,
(einige Bücher)
Was mich bedrängte,
(küsst das bunte Band)
Was ich liebte.
